AYI Lehrerin und Ausbilderin Birgit Hortig über ihren Yogaweg und das, was letztendlich beim Yoga wirklich zählt.

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Sabine: Birgit, Du praktizierst mittlerweile schon seit fast 15 Jahren Yoga. Wie bist Du dazu gekommen?

Birgit: Mein Yogaweg begann im Jahr 2002. Unsere 3 Kiddies waren zu der Zeit aus dem „Gröbsten“ heraus und ich hatte nach intensiven „Kinderjahren“ endlich wieder etwas mehr Freiraum und Zeit für mich. Da ich unschlüssig war, ob ich direkt wieder zurück in meinen ursprünglichen Beruf in der Reisebranche gehen oder evtl. doch noch einmal etwas ganz Anderes machen sollte, schrieb ich mich auf den Tipp einer Freundin hin an der Frauenakademie in Stuttgart für ein Studium ein. Dieses Studium wird ausschließlich für Frauen angeboten, die sich in Umbruchphasen befinden, etwa nach einer längeren Elternzeit oder auch im Anschluss ans Berufsleben. Das Studium ist eine tolle Sache für alle, die auf der Suche nach neuer Inspiration sind und Lust haben, sich noch einmal auf Lernen und vielseitige interessante Themen einzulassen, wie z. B. die Rolle der Frau in der Gesellschaft, Politik, Psychologie, Philosophie, Literatur aber auch ganz praktische Inhalte wie Rhetorik und Stimmbildung.

In dieser Zeit lernte ich eine Mitstudentin kennen, deren positive und herzliche Ausstrahlung, Ruhe, Gelassenheit und die Art, wie sie mit dem Leben und seinen Herausforderungen umging, mich damals total beeindruckt haben. Sie praktizierte schon seit längerem Yoga und erzählte mir immer wieder begeistert davon. Sie war auch regelmäßig auf Yoga Retreats und ich hatte das Glück, an einem Yogawochenende ihrer Lehrer teilnehmen zu können. Ich wusste bis zu der Zeit noch nichts über Yoga, aber dieses Wochenende war ein absolutes Schlüsselerlebnis für mich. Ich fühlte mich so gut und gelöst wie schon lange nicht mehr, ich war komplett fasziniert von der wohltuenden Atmosphäre an diesem Wochenende, ich spürte meinen Körper auf einer ganz anderen Ebene und ich hatte das wunderbare Gefühl, ganz bei mir und mit mir zu sein. Das war sozusagen Liebe auf den ersten Blick, Faszination, Begeisterung, eine ganz tiefe innere Überzeugung, dass Yoga genau das Richtige für mich ist. Dieses Gefühl und diese Begeisterung haben mich bis heute nicht mehr losgelassen. Im Gegenteil: Je mehr Du erfährst, umso tiefer ist die Berührung, umso klarer wird das Wissen, dass Yoga wirkt, heilt und das Potential hat, glücklich zu machen.  

Sabine: Mit anderen Worten, Du wusstest direkt nach Deinem ersten Kontakt mit Yoga „ich will Yogalehrerin werden“ und hast Dich mehr oder weniger sofort in die Ausbildung gestürzt? Oder hast Du anfangs zunächst doch erst einmal nur für Dich praktiziert?

Birgit: Ja, könnte man fast so sagen. Ich hatte ja noch überhaupt keine Ahnung, welche Dimension und welche Philosophie hinter diesem kleinen Wörtchen Yoga steckten, geschweige denn, welche Yoga „Stile“ es gab. In jedem Fall war jedoch mein Wissensdurst geweckt und ich wollte unbedingt mehr über die Philosophie und Hintergründe erfahren. Deshalb begann ich im Anschluss an das Wochenende gleich nach Kursen zu suchen und relativ zeitgleich auch nach der Möglichkeit eine Yogalehrerausbildung zu machen. Der Wunsch selbst zu unterrichten, war noch gar nicht so unbedingt vorhanden, ich wollte einfach intensiv üben und ganz viel wissen.

Sabine: Studium, Ausbildung und Familie – das klingt nach einer ganzen Menge auf einmal. Auch wenn die Kinder in Kindergarten und Schule waren: Fällt es einem in einer solchen Situation nicht trotzdem manchmal schwer, die notwendige Disziplin aufzubringen und auf die Matte zu gehen? Oder gerade an Tagen, an denen vielleicht ein Kind krank ist, das zweite die Cornflakes Milch beim Frühstück über den Tisch verteilt und das dritte den Turnbeutel vergessen hat, die notwendige innere Ruhe zu finden?

Birgit: Das stimmt, das war eine sehr intensive und dichte Zeit in meinem Leben, gleichzeitig aber auch eine sehr kreative und aufregende. Meine Yogapraxis war fester Bestandteil des Tages und hat mich in dieser turbulenten und ereignisreichen Zeit unglaublich darin unterstützt, nicht den Überblick zu verlieren, sondern ruhig, ausgeglichen und entspannt zu bleiben. Aber ich denke, das ist wie bei allem, das Du mit Leidenschaft und tapas machst. Wenn Deine Motivation aus Deinem tiefsten Inneren und einer Überzeugung heraus stammt, dass das genau das Richtige ist, bist Du beflügelt und beseelt, wann immer Du Dich mit diesem Thema auseinandersetzt und es wird Dich zu noch mehr santosha, Zufriedenheit, und einer tiefen Dankbarkeit führen, dass du das gefunden hast, was Dich wirklich interessiert. Das meine ich nicht unbedingt nur intellektuell, sondern wirklich in Deinem tiefsten Inneren. Von daher war diese Zeit eine „Wunder-“volle Zeit in meinem Leben, auch wenn die Summe der Dinge ziemlich groß war. Die Disziplin, auf die Matte zu gehen und zu üben hat mich eher darin unterstützt, meinen Alltag soweit zu strukturieren, dass alles und alle ihren Platz darin gefunden haben.

Sabine: Du hast nach relativ kurzer Zeit gleich Dein eigenes Studio eröffnet. Wie kam es dazu? Hattest Du anfangs Bedenken diesen Schritt zu gehen, vielleicht auch Zweifel, ob es wirklich klappt – oder hat sich bereits damals alles stimmig für Dich angefühlt?

Birgit: Ich hatte anfangs schon Zweifel, ob der Zeitpunkt passt und ob ich das schaffe, da ich ja noch mitten in meiner Yogalehrerausbildung steckte und gerade erst begonnen hatte, Kurse zu geben. Aber auf der anderen Seite war die Chance, das Studio zu übernehmen, natürlich toll und einmalig und nach einigen schlaflosen Nächten und der Vorstellung, es nicht zu tun, war schnell klar, dass es wohl so sein sollte und ich die Herausforderung annehmen würde. Ich hatte die Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde sowie eine Kollegin, die das Studio mit mir zusammen übernahm. Das waren super Startbedingungen und wir arbeiten bis heute noch sehr gut und bereichernd zusammen –  im Juni 2017 werden es 10 Jahre.

Sabine: Wie sah der Unterricht in der Anfangszeit aus? Welche Stile und in welchem Umfang hast Du unterrichtet?

Birgit: Unsere ersten Kurse waren Hatha Yoga Kurse nach Sivanada, Vinyasa-Yoga und Iyengar-orientiertes Yoga. Ich hatte verschiedene Fortbildungen gemacht, u. a. bei Spirit Yoga in Berlin für Yoga für Schwangere und Mamis nach der Geburt sowie einige Workshops in Forrest Yoga, also Power Yoga. Wir haben gleich von Anfang an Kurse für alle Levels angeboten, dazu noch Kinderyoga und Einzelunterricht. In unserem ersten Studio hatten wir allerdings nur einen kleinen Raum für maximal 12-14 Teilnehmer. Wir waren insgesamt drei Lehrerinnen und haben täglich vormittags und abends unterrichtet, am Wochenende auch mal Workshops gegeben und ich habe zu der Zeit auch immer wieder Retreats und ganze Wochenenden angeboten.  

Sabine: Wie ging es danach weiter? Wenn man den heutigen Stand betrachtet, ist das Projekt ja noch um einiges gewachsen.

Birgit: Nach vier  Jahren war die Schule definitiv zu klein und wir hatten das Glück, im Jahr 2011 ganz in der Nähe tolle, neue und größere Räumlichkeiten anmieten zu können. Wir bauten unser Kursprogramm aus, das Lehrerteam wuchs. Zu der Zeit übte ich zum einen sehr konsequent Yoga nach B.K.S. Iyengar, besuchte aber auch regelmäßig unterschiedlichste Workshops und Yogalehrerausbildungen anderer Yogastile. Am Iyengar Yoga begeisterte mich die Präzision des Unterrichtens und der Ausrichtung in den Haltungen aber auch, dass durch den Einsatz von Hilfsmitteln Teilnehmer mit ganz unterschiedlichen physischen Voraussetzungen miteinander in einer Klasse üben konnten.  Aber ich liebe eben auch dynamisches und forderndes Üben. So richtig hatte ich „meinen“ Stil damals deshalb noch nicht gefunden.

Heute ist es so, dass wir ein tolles Team an Lehrern und Dozenten sind und die unterschiedlichsten Kurse und Workshops für unterschiedliche Bedürfnisse anbieten: AYI Kurse, Vinyasa Yoga und Kundalini Yoga Kurse, Restorative Yoga, Yin Yoga, Prä- und Postnatal-Yoga, Kinderyoga, Familienyoga, Personal Trainings und Business Yoga. Wir bieten außerdem regelmäßig Workshops mit Gastlehrern an sowie ayurvedische Konsultationen mit unserem Ayurveda Arzt Dr. de Mel und auch ayurvedische Massagen. Unser Netzwerk an Dozenten und Ausbildungsinstituten, mit denen wir kooperieren, wächst beständig weiter und darüber freuen wir uns sehr.

Sabine: Ein wirklich beeindruckendes Spektrum. Gleichzeitig klingt das für mich so, als hätte Ashtanga für Dich in der Anfangszeit eine eher untergeordnete Rolle gespielt. In Anbetracht dessen, dass Du inzwischen AYI® Ausbilderin bist, scheint es da noch eine entscheidende Wende gegeben zu haben. Wann und wie fand diese statt?

Birgit: Da hast Du recht, ich hatte mit Ashtanga Yoga ganz wenig Berührung und hatte auch die üblichen Vorurteile: zu eintönig, immer das gleiche, langweilig.

Die Wende kam mit meiner Ausbildung bei Anna Trökes und Ronald. Ich hatte mich schon seit längerer Zeit damit auseinandergesetzt, noch eine umfangreichere Ausbildung zu machen, die fundiert und vom BDY anerkannt war. Und habe dann in einer Yogazeitschrift die Annonce gesehen, dass in Stuttgart eine BDY Ausbildung angeboten wird. Das war für mich natürlich extrem praktisch. Auf der einen Seite hatte ich auf diese Weise so gut wie keine Anfahrt und konnte die Ausbildungszeiten in meine Abläufe integrieren. Auf der anderen Seite hatte ich von Anna schon viel gelesen und gehört und war sehr neugierig sie kennenzulernen. Von Ronald wusste ich zu der Zeit noch nicht viel.

Die erste Begegnung mit den beiden fand dann 2010 in Stuttgart statt als unsere vier-jährige BDY-Ausbildung begann – ausgeschrieben als „Ashtanga basiert“. Wir waren die allererste Ausbildungsgruppe, die im Rahmen des BDY eine Ashtanga basierte Ausbildung gemacht hat. Innerhalb des BDY-Rahmens waren wir Ashtangis zu der Zeit schon noch die „Exoten“.

Sabine: Offensichtlich haben Dich letztendlich nicht nur die Ausbilder, sondern auch der Stil überzeugt. Was schätzt Du heute am Ashtanga, insbesondere Ashtanga nach der AYI® Methode?

Birgit: Diese viereinhalb  Jahre waren eine sehr intensive und zutiefst inspirierende Zeit, die mich bis heute geprägt haben, was meinen Unterrichtsstil und meine Dozententätigkeit anbelangt. Ashtanga Yoga ist anstrengend. Ashtanga Yoga ist nichts für Faule J Ich weiß gar nicht mehr, wer das einmal gesagt hat, aber es stimmt. Es gibt keine coole Musik, die dich beim Üben antörnt, es gibt keine „Spielereien“ mit Beinlifts und tänzerischen Elementen, usw. Es gibt einfach nur Dich, Deinen Atem und die Bewegung mit und in Dir selbst. Das ist das Anstrengende daran, aber auch die Faszination. Um Ashtanga zu üben, musst Du Dich manchmal überwinden und Du musst in den Spiegel schauen. Wie ist es heute, was bringe ich mit, kann ich meine Widerstände loslassen, kann ich meinen Ehrgeiz zügeln. Beim AYI triffst Du Dich knallhart mit Dir selbst. Und dann hast Du die Möglichkeit zu wählen. Natürlich gibt es das alles auch bei anderen Yogarichtungen, aber ich habe das Gefühl, AYI ist pur. Da gibt es erst mal keine Schnörkel, kein Ausweichen. Und genau das gefällt mir daran. Ich habe die Möglichkeit, mir selbst zu begegnen. Mit all meinen Marotten, meinen Widerständen, meinen Mustern. Und ich kann beobachten, wie sich etwas verändert, jeden Tag, jedes Mal, wenn ich auf die Matte gehe und in meinen Spiegel schaue. Ich merke, wie sich genau dieses Merkmal des Ashtanga Yoga im Laufe der Zeit in eine wirkliche Reflexion und Erkenntnis verwandelt. Und  ich schätze besonders eine Praxis zu haben, die mich spiegelt, jeden Tag. Genau das ist eben nicht langweilig und eintönig, sondern es ist die Herausforderung, mich immer wieder mir selbst zu stellen und zu experimentieren. Das, was für mich besonders wertvoll ist, ist die Konsequenz des Übens, das Dranbleiben, dabei gleichzeitig aber auch nicht verbissen zu werden, sondern im Loslassen von Widerständen zu üben. Das bedeutet umgekehrt, auch mal nachzugeben und zu schauen, was passiert.

Was ich ebenfalls sehr schätze, ist die AYI Methode, in der wir nun auch vor allem für Einsteiger eine Basis schaffen, mit der sie selbständig üben können. Das Gleiche gilt für Menschen mit Einschränkungen, die nun gleichermaßen die Möglichkeit haben, modifiziert zu üben und eine Reflexionsfläche zu nutzen, nämlich ihre Matte. Es ist toll, dass wir in einer Led Class den Unterricht mit vielen unterschiedlichen Vinyasa Möglichkeiten gestalten können, dass wir in Mysore Klassen mit therapeutischen Sequenzen arbeiten. Ich finde es hervorragend, die Tradition des Ashtanga mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und modernen Methoden zu verknüpfen und so einen unendlich großen Spielraum zu schaffen, in dem wir den Ashtanga weiterentwickeln und gleichzeitig bewahren. Ich freue mich darauf, diese Erfahrungen und dieses Wissen weiterzugeben – und zwar nicht nur in meinen Kursen, sondern vor allen Dingen auch in der AYI Inspired Ausbildung, die im Januar 2017 beginnt.

Sabine: Parallel zu Deiner Ashtanga Ausbildung hast Du zusätzlich eine Yogatherapieausbildung bei Dr. Hedwig Gupta in den Fachbereichen Orthopädie, Neurologie/Psychosomatik und Innere Medizin absolviert. Würdest Du die Yogatherapie somit als einen Deiner Schwerpunkte betrachten? Inwiefern siehst Du Anknüpfungspunkte zum Asthanga und welche Rolle spielen therapeutische Aspekte in Deinem Unterricht?

Birgit: Ich denke, Yoga zu üben ist Therapie. Wenn ich zuhause auf der Matte stehe, ist meine Praxis Therapie für mich, ganz egal, ob ich „krank“ bin oder nicht. Ich halte mich gesund mit Yoga, ich kümmere mich um meinen Körper, meine geistige Ausrichtung und letztlich um meine Seele. Das bedeutet, Yoga zu unterrichten ist immer auch ein Stück weit „therapeutisches“ Arbeiten, da wir es mit dem ganzen Menschen zu tun haben und nicht nur mit der physischen Hülle. Von daher ist Yogatherapie in jedem Fall ein Schwerpunkt.

Ich habe einige Schüler, die mit psychischen Belastungen wie Burnout oder depressiven Verstimmungen behaftet sind, sowie Menschen mit Krebserkrankungen oder nach einem Schlaganfall. Yoga ist ein Weg zurück in die Selbstbestimmung, vor allem für Menschen, die lange Zeit im Krankenhaus sein mussten. Die Möglichkeit, selbst etwas für mich tun zu können, und zwar genau dann, wenn ich es brauche, ist ein großer Schritt in Richtung „heil werden“.  Yoga bietet für viele Erkrankungen eine riesige Vielfalt an Möglichkeiten, um ganzheitlich begleitend zu arbeiten, sowohl bei physischen als auch bei psychischen Beschwerden. Das geschieht dann entweder in Einzelsitzungen oder in kleinen Gruppen. Die AYI Methode eignet sich dabei hervorragend, um eine selbständige eigene Praxis zu entwickeln und zu Hause oder im Studio mit dem Lehrer zu üben. Die therapeutischen Sequenzen der AYI Methode lassen sich wunderbar in eine Mysore Stunde integrieren und erlauben es dem Schüler, gemeinsam mit dem Lehrer seine ganz persönliche und individuell sinnvolle Praxis zu entwickeln.

Sabine: Hast Du daneben noch weitere Schwerpunkte und wie fließen diese in Deinen Unterricht ein?

Birgit: Neben meinen AYI Kursen biete ich wie gesagt Prä- und Postnatal-Kurse an, außerdem Restorative Kurse, Hatha Yoga sowie Personal Yoga. Seit 2015 biete ich zudem eine eineinhalbtägige Fortbildung im Bereich Prä- und Postnatal für Yogalehrer und Interessierte an.

Gleichzeitig geht für mich selbst das Lernen beständig weiter. Seit März 2016 bin ich wieder in Ausbildung bei Dr. Gupta in Sachen Ayurveda, da mich die Kombination von Yoga und Ayurveda fasziniert und ich die ayurvedischen Prinzipien und Konzepte mit in meinen Yogaunterricht integrieren möchte. Dr. Gupta wird auch ein Ayurveda Modul in der AYI Ausbildung in Stuttgart unterrichten, worauf ich mich jetzt schon sehr freue.

Sabine: Damit lieferst Du mir gleich das Stichwort für meine nächste Frage. Du hast bereits vorhin erwähnt, dass im Januar 2017 die erste AYI® Ausbildung bei euch im Yoga Süd startet. Warum hast Du Dich dafür entschieden, diesen Schritt zu gehen und künftig nicht mehr „nur“ zu unterrichten, sondern auch angehende Yogalehrer auszubilden?

Birgit: Diesen Wunsch hatte ich schon sehr früh, genauer gesagt bereits vor 10 Jahren als ich mich ganz frisch in meiner ersten Yogalehrerausbildung befand. Das war Anfang 2006 – ich saß mitten in der Ausbildungsgruppe und wusste plötzlich, dass ich genau das später auch einmal machen möchte, also andere Yogalehrer ausbilden. Bereits seit 2013 habe ich deshalb als Dozentin Yogalehrerausbildungen begleitet und bei mir im Studio durchgeführt; außerdem habe ich inzwischen schon drei Jahrgänge an Yogalehrern in ihrer 200h Ausbildung der AYA unterrichtet. Yogalehrer auszubilden ist eine unglaublich schöne Herausforderung und Erfahrung. Menschen auf diesem Weg begleiten zu dürfen, ist ein Geschenk. Es ist immer wieder faszinierend dabei zu sein, wenn Menschen aus sich herauswachsen, ihr Potential entdecken und beginnen es zu leben. Ich bin unglaublich dankbar, diesen Weg ein Stück weit begleiten zu dürfen und Teil dieser Entwicklung zu sein und mein Wissen und meinen Erfahrungsschatz einzubringen. Meine eigene Yogaerfahrung der letzten 13 Jahre, die Arbeit im Studio und in meinen Kursen und alles, was ich bis heute von meinen Lehrern erfahren habe, fließt in meine Ausbildungen ein und ich spüre nach jedem Ausbildungswochenende, dass sich dieser Erfahrungs- und Wissensschatz auch wieder tiefer in mir selbst eingeprägt hat.

Sabine: Gibt es einen Aspekt, den Du Deinen Schülern in ihrer Ausbildung unbedingt näherbringen möchtest oder der Dir besonders wichtig ist?  

Birgit: „Du hast jeden Augenblick eine Verabredung mit dem Leben.“ Ich weiß leider nicht mehr, wann und wo ich dieses Zitat gelesen habe. Aber dieser Satz begleitet mich seit vielen Jahren und drückt so ziemlich perfekt aus, was Yoga für mich bedeutet.

Jeder bewusste Moment, jeder präsente Augenblick ist ein Geschenk. Jeder bewusste Atemzug ist eine Offenbarung. Dann bin ich wirklich mit mir, ich bin verbunden mit all dem, was mir zur Verfügung steht, mit meinen Wünschen, meinen Vorstellungen, meinem Potential. Und ich habe die Möglichkeit, es zu nutzen und mein Leben zu gestalten. Auch wenn die äußeren Umstände vielleicht nicht immer die optimalen sind. Wir haben trotzdem stets die Möglichkeit, zu wählen. Wir können die Perspektive verändern. Wir entscheiden, durch welche Brille wir schauen. Yoga heißt für mich, Verantwortung für mich selbst zu übernehmen und verantwortlich mit meinem Leben aber auch mit dem Leben derer um mich herum umzugehen.  

Du hast jeden Augenblick eine Verabredung mit dem Leben heißt für mich darüber hinaus aber auch: Nutze die Zeit. Dinge, die Du nicht ändern kannst, musst Du teilweise akzeptieren. Du kannst aber versuchen, sie anders zu betrachten und unter Umständen die Sichtweise zu verändern. Ich möchte meinen Schülern mitgeben, dass das Leben schön ist! Auch oder vielleicht sogar gerade dann, wenn es schwierig ist. Das können wir nicht verhindern, aber wir können an Schwierigkeiten und Herausforderungen wachsen. Das üben wir auf der Matte. Mit Freude, mit Enthusiasmus und mit der Lust am Leben. Wir können unsere mentalen Muster verändern, unser Gehirn ist formbar. Ich möchte meinen Schülern vermitteln, dass es sich lohnt, sich mit sich selbst zu beschäftigen und sich anzunehmen und mit ganzem Herzen, Offenheit und Neugier durchs Leben zu gehen. Yoga unterstützt uns dabei und gibt uns die nötige Stabilität, Ausdauer, den Mut und die Beweglichkeit, die wir brauchen.  

Namaste.

Sabine: Einen besseren Schlusssatz könnte es wohl kaum geben! Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für den Start mit der neuen Ausbildungsgruppe!