Im Alltag ist unser Gehirn ständigen Reizen ausgesetzt, die sich in biochemischen Prozessen niederschlagen. Dabei kann eine Reizüberflutung schnell zu Überforderung führen – hier kann Yoga Abhilfe schaffen.

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Viele Menschen fühlen sich überfordert, sind gestresst oder niedergeschlagen und „funktionieren“ nur noch. Wir merken dabei mitunter nicht einmal mehr selbst, wie viel uns der Alltag abverlangt oder wie oft wir uns selbst unter Druck setzen, so viel wie möglich, in so kurzer Zeit wie möglich und mit dem besten Resultat wie möglich zu erledigen. Selbstoptimierung ist in aller Munde, ob im Privaten oder Beruflichen, ständig sollen wir an unser Limit gehen. Wenn uns eine Situation dann einmal verunsichert, wenn etwas Unerwartetes passiert, merken wir plötzlich, dass wir auf Kontrollverlust nicht vorbereitet sind. Für Fehler und Überraschungen ist kein Platz.

To-Do-Listen und Optimierungswahn

Dieser Druck führt dazu, dass wir ständig das Gefühl haben, nicht genug geschafft zu haben. Aber der Tag hat nun einmal nur 24 Stunden, in denen man Prioritäten setzen muss. Das bedeutet gezwungenermaßen, dass Dinge auch einmal unerledigt bleiben. Diese Einsicht klingt sehr banal und leuchtet uns eigentlich allen ein. Dennoch versuchen wir oft, zu viel zu tun. Selbst unser Schlaf wird dadurch beeinträchtigt, z. B. wenn wir das Smartphone oder Tablet mit ins Bett nehmen. Denn das blaue Licht des Screens sorgt für Schlafprobleme, da die Lichtfrequenz der des Morgenlichts ähnlich ist, was unserem Körper signalisiert, dass wir bald aufstehen müssen, um weiter zu funktionieren. Ganz zu schweigen von den schlechten Nachrichten, die wir mit ins Bett nehmen, von beunruhigenden politischen Entwicklungen auf der Welt bis hin zu Naturkatastrophen – schlechtere Gute-Nacht-Geschichten könnte man sich kaum ausdenken. Hier lässt sich erkennen, wie destruktiv sich der Druck der Leistungsgesellschaft auf die Einzelnen auswirkt. Wer wirklich einmal entspannen möchte, gilt schnell als faul oder schwach. Der Typ Jungmanager und Leistungsträger “erholt” sich beim Sauna-Marathon in der Therme, bei dem er erst nach fünf Aufgüssen behaupten darf, “alles mitgenommen” zu haben.

Erschöpfung durch Reizüberflutung

Wir sind also auf vielen Ebenen „überreizt“. Unser Gehirn ist nämlich auf diese Menge an Eindrücken eigentlich überhaupt nicht gefasst und ursprünglich auch nicht dafür gemacht. Gleichzeitig ist das Gehirn das Organ, das im Körper die meiste Energie verbraucht. Daher verwundert es nicht, dass es den Menschen erschöpft, wenn er ständig so viel unbewusst verarbeiten muss. Denn eigentlich ist unser Gehirn darauf ausgelegt, sich vorrangig auf eine Sache zur gleichen Zeit zu konzentrieren. Wenn dieses Gleichgewicht gestört ist, kommt es zu Stress, Erschöpfung, Abgespanntheit oder depressiven Verstimmungen. Dann hilft es, die innere Grundhaltung zu ändern. Hier kann Yoga erstaunliche Erfolge bringen.

Die Kraft der Stille

Eine Methode des Yoga ist das bewusste Zurücktreten von einer Situation, die uns überfordert. Mithilfe von bewusstem Atmen und Gedankenführung gelingt es, kurz inne zu halten und einen gesunden Abstand zu gewinnen. Diese Distanz ermöglicht es, dem Alltag und seinen Herausforderungen gelassener zu begegnen. Ein Leitspruch aus der Hatha Yoga Pradipika lautet : „Wenn der Atem ungleichmäßig ist, ist der Geist unruhig. Aber wenn der Atem still ist, ist auch der Geist still und der Yogi bekommt die Kraft der Stille.“ Diese Kraft der Stille ist es, die uns helfen kann, Reizüberflutung auszuhalten und besonnene Entscheidungen zu treffen. Auch ganz wörtlich genommen ist es zu empfehlen, den Atem kontrollieren zu können. Denn wenn wir uns Druck ausgesetzt fühlen, geht der Atem schneller, kontrollieren wir ihn aber, kommen wir schneller wieder zurück zu einer Einkehr.

Den Fokus weiter stellen

Yoga versucht, den Fokus, den wir auf die Dinge haben, etwas weiter zu stellen. Das kleinteilige Bild, das wir oft von unserem Leben haben, führt dazu, dass selbst kleine Fehlschläge einen zu großen Raum in unserem Bewusstsein einnehmen. „Yoga ist der Stillstand der Bewegungen der Gedanken“ besagt das Yoga Sutra im ersten Kapitel, Vers 2. Dies kann als Aufforderung verstanden werden, die eigenen Gedanken intentionslos zu registrieren – und sie dabei noch nicht in ein Wertesystem einzuordnen, sondern einfach erst einmal festzustellen, dass sie da sind. Wenn dies gelingt, also ein friedliches „In sich Hineinhören“ möglich wird, dann geschieht ein geistiges Aufatmen. Und genau das wirkt Wunder für die geistige Balance. Dieser Zustand ist Teil der Tiefenentspannung, die eine Yoga-Session abschließt und wird auch in der Meditation verwendet. Man nennt ihn „Viveka“.

Viveka

Viveka ist ein Zustand von Gelassenheit und Achtsamkeit, gegenüber sich und der Umwelt. Verschiedene Yogaübungen helfen dabei, die Aufmerksamkeit nach innen, auf den eigenen Geist zu lenken. So finden wir heraus, was für unser persönliches Gleichgewicht wichtig ist. Wer mittels Übung und Routine diesen Zustand für sich nutzen kann, wird aufmerksamer und gelassener durch die Welt gehen, wird mehr Entscheidungskraft haben und sich letztlich selbst besser kennen und vertrauen. Also viel Erfolg beim Üben!

Kleine Meditationsübung

Die Gedanken nach innen zu lenken, ist mitunter gar nicht so einfach. Diese kleine Meditationsübung hilft, einen Einstieg zu finden. Setze Dich gemütlich hin. Achte dabei trotzdem darauf, dass Wirbelsäule und Kopf eine vertikale Linie bilden. Schließe nun die Augen und zähle langsam von zehn rückwärts. Versuche, Dich bei jeder Zahl weiter zu entspannen und zu Dir zu kommen. Fange wenn Du bei null angekommen bist an, in Deinen Körper hineinzuspüren: Wie fühlt sich zum Beispiel der Druck Deiner Füße auf dem Boden an? Versuche, jedes Körperteil von unten nach oben einmal „anzufühlen”. Spüre den Druck der Schwerkraft sowie Deinen Atem. Versuche, Dich auf nichts Anderes zu konzentrieren. Sobald Deine Gedanken abschweifen, hole sie zurück. Registriere Deine Gedanken, aber versuche, sie nicht zu bewerten. Du bist jetzt in einer rein beobachtenden Rolle.

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