Yoga & Sport

1.8.2011
Yoga Aktuell

Yoga als Ergänzung zu Sport und zur Therapie von Sportverletzungen aus der Sicht von Dr. Ronald Steiner

Yogatherapie

Als Sportarzt und Yogalehrer können Sie zum Thema „Yoga und Sport“ sicherlich eine Menge sagen. Fangen wir mit Sportverletzungen an, die ja für viele Menschen der Anlass sind, mit Yoga zu beginnen. Hatten Sie selbst viele Schüler, die zum Auskurieren solcher Verletzungen zum Yoga kamen?

Gerade Sportler haben oft großes Interesse an Yogatherapie und kommen daher häufig in meine Spezial-Sprechstunde. Das ist auch verständlich, denn sowohl für Hobbysportler wie auch für Leistungssportler ist die Gesundheit sehr wichtig. Für den Leistungssportler stellt sie sogar die Basis für den Erfolg dar. Die Sportler schätzen es, zu verstehen, wie ihr Körper funktioniert und mit welchen Übungen und Techniken sie selbst für die Heilung aktiv werden können. Knieverletzungen und Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Gründen, die einen Sportler zu mir in die Yogatherapie führen.

Glauben Sie, dass Yoga eine sinnvolle Ergänzung zu quasi allen Sportarten ist?

Auf jeden Fall. Kletterer suchen im Yoga eine Balance zu den in ihrer Sportart überwiegenden Bewegungsmustern. Auch unter Kampfsportlern hat sich die Effektivität von Yoga bereits herumgesprochen. Sie nutzen die Körperarbeit des Yoga, um Flexibilität zu entwickeln, die sie in ihrer Sportart dringend benötigen. Ruderer hingegen finden im Yoga eine Möglichkeit, ihren Rücken zu kräftigen. So können sie mehr Leistung im Ruderboot zeigen. Fußballer wiederum nutzen Yoga gerne als Verletzungsprophylaxe.

Warum ist Yoga Ihrer Meinung nach eine so wirkungsvolle Ergänzung?

Ich unterrichte in der Tradition des Ashtanga-Yoga. Aus physischer Sicht finden wir hier eine sehr ausgewogene Kombination aus Ausdauer-, Kraft-, Flexibilitäts- und Koordinationstraining. Daraus resultiert eine sehr gleichmäßige Entwicklung aller sportlichen Grundfertigkeiten. Das wiederum wirkt jeder einseitigen Fehlbelastung entgegen. Gerade für Leistungssportler ist solch ein Ausgleich enorm wichtig, denn viele Wettkampfsportarten entwickeln den Körper nur sehr einseitig. Beispielswiese überwiegt beim Marathonläufer vor allem Ausdauer, beim Gewichtheber Kraft, der Ruderer wiederum trainiert überwiegend in sehr einseitiger Körperhaltung. Diese unausgeglichene Belastung und Forderung führt auf lange Sicht oft zu gesundheitlichen Problemen. Yoga kann hier präventiv Verletzungen und Überlastung entgegenwirken.

Welche Sportverletzungen lassen sich besonders gut mit Yoga behandeln?

Mir fällt keine einzige Sportverletzung ein, bei der eine gezielte Yogatherapie nicht effektiv wäre. Durch Übungen kann eine Veränderung der Muskelspannung, eine Verbesserung von Körperhaltung oder Gelenkstellung, eine Verfeinerung der neuromuskulären Interaktion oder muskulären Balance und vieles mehr erreicht werden. Besonders rasch sprechen Rückenschmerzen, die durch sportartspezifische Fehlhaltung und chronische Überlastung entstanden sind, auf Yogatherapie an.

Bei welchen Sportarten würden Sie Yoga als Prophylaxe für mögliche Unfallgefahr empfehlen, und warum?

Besonders häufig kommen Hobby-Fußballer in meine Sprechstunde. Das liegt nur teilweise daran, dass Fußball in Deutschland so populär ist, zum Großteil aber auch an den hohen Anforderungen, die Fußball an den Bewegungsapparat stellt. Schnelle Richtungswechsel, abruptes Abbremsen und eventueller Kontakt mit einem anderen Spieler können Ursachen für eine Vielzahl von Verletzungen und Überlastungserscheinungen sein. Meist hängt beides eng zusammen. Die akute Verletzung geschieht auf dem Boden einer chronischen Fehlbelastung. Yogatherapie kann daher sowohl nach einer Verletzung die Heilung fördern als auch präventiv wirken. Durch gezielte Übungen wird die Fehlbelastung ausgeglichen und so eine mögliche Verletzung verhindert. Dieser Mechanismus trifft auch auf die meisten anderen Spielsportarten zu. In Individualsportarten hingegen entstehen Verletzungen auch ohne akutes Trauma meist durch die kontinuierlich einseitige Belastung. Auch hier kann Yoga präventiv entgegenwirken.

Warum wird Yoga Ihrer Meinung nach nicht viel stärker von Profisportlern oder von Sportvereinen eingesetzt? Nach allem zuvor Gesagten wäre es so naheliegend.

Viele Leistungssportler sind in ihrem täglichen Training bereits so eingespannt, dass sie einen Ausgleich durch Yoga einfach nicht wichtig genug nehmen. In dieser Beziehung sind Profisportler vielen anderen Menschen mit sitzenden Berufen nicht unähnlich. Denn auch ständiges Arbeiten am Schreibtisch führt langfristig zu Haltungsfehlern, muskulären Dysbalancen und damit letztendlich oft zu Rückenschmerzen. Auch hier hilft Yoga sehr effektiv und wird trotzdem noch viel zu selten systematisch genutzt.

Wir sprachen über verminderte Verletzungsrisiken und über Verletzungstherapie durch Yoga. Jedoch passiert es auch, dass Yogapraktizierende sich in einer Yogastunde Verletzungen zuziehen. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Alles, was Wirkung hat, hat auch Nebenwirkung. Je intensiver und effektiver die Yogatechnik, desto wichtiger ist ein verantwortungsbewusster Umgang damit. Nicht jeder Yogalehrer verfügt über ausreichendes Wissen, um dieses kraftvolle Werkzeug optimal zu nutzen. Hinzu kommt, dass falsch verstandener Ehrgeiz den Übenden mitunter das optimale Maß vergessen lässt. Es bleibt immer eine Herausforderung, den Schüler zu einer regelmäßigen Praxis zu motivieren und ihn gleichzeitig daran zu erinnern, auf seine Grenzen zu achten.

Worauf sollte ein Sportler mit einer Sportverletzung bei der Auswahl eines Yogalehrers achten?

Entscheidend ist die Ausbildung und Erfahrung des Yogalehrers. Auch regelmäßige Weiterbildungen sollten für einen Yogalehrer selbstverständlich sein. Damit ein Yogalehrender besser auf Sportverletzungen vorbereitet ist, gebe ich fortlaufend Weiterbildungen über anatomische Spezialthemen. So erlernt der Yogalehrer praktische Hilfen, um mit häufigen Beschwerden und Verletzungen effektiv umgehen zu können.

Das Spektrum Ihrer Patienten ist groß – vom Nationalkader- Athleten über geriatrische Patienten bis zu Yogalehrenden. Wo ist da für Sie der gemeinsame Nenner, wenn Sie den Menschen Yoga näherbringen wollen?

Ich hole den Menschen dort ab, wo er steht. „Jeder Mensch kann Yoga üben“, so betonte mein Lehrer, Pattabhi Jois, immer wieder. Daher suche ich fortwährend nach Wegen und Möglichkeiten, den Yoga in einem neuen Kontext weiterzugeben.

Werden verletzte Sportler durch Yoga schneller gesund als Menschen, die keinen Sport treiben? Oder ist es vielleicht sogar umgekehrt, dass Sportler längst nicht so weich und dehnbar sind wie Yogapraktizierende, und dadurch bedingt länger für den Heilungsprozess brauchen?

Sportler erreichen durch die Yogatherapie meist schneller Erfolge als Nichtsportler. Dies hat zwei Gründe. Zum einen sind Sportler mit ihrem physischen Körper sehr vertraut. Sie erlernen die Übungen meist schnell und können sie dann bald fehlerfrei ausführen. Zum anderen sind Leistungssportler in einem hohen Maß diszipliniert und willensstark. Wenn sie den Nutzen einer Übung für sich erkannt haben, praktizieren sie meist konsequent und regelmäßig.

Können Profisportler etwas mit der Yogaphilosophie anfangen? Oder versuchen Sie gar nicht erst, ihnen diese ein Stück weit näherzubringen?

Für mich ist die Philosophie ein wesentlicher Bestandteil des Yoga. Daher integriere ich diese stets in meinen Yogaunterricht. Sportler sind dafür meist sehr offen. Im Grunde ist jeder Sportler ein Yogi – manchmal ohne es zu wissen. Es bedarf einer gehörigen Portion Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis, um sich z.B. bei einem Triathlonwettkampf stundenlang an seiner Leistungsgrenze zu bewegen. Für einen Sprinter ist absolute Präsenz und Achtsamkeit am Start und auf jedem Schritt seines Laufes absolut essenziell. So verstehen die allermeisten Leistungssportler schnell, wovon ich rede, wenn ich über Patanjali spreche. Vieles haben sie schon selbst im Sport erfahren.

Welche Frage wird Ihnen von Sportlern in Bezug auf Yoga am häufigsten gestellt?

„Übe ich besser vor dem Training oder nach dem Training?“ – Bei den übervollen Trainingsplänen ist es eine nicht immer einfache Aufgabe, den richtigen Zeitpunkt für die Yogapraxis zu finden.

Wie lautet das Credo Ihrer Arbeit als Sportarzt, der Yoga mit einbezieht?

Yoga kann zur ganzheitlichen Therapie für den Menschen werden. Wenn seine Praxis gelingt, entsteht Harmonie in Physis, Energie, Emotion und Gedanke.