Dehnung scheint vielen Yogis die einzige Lösung bei Verspannungen zu sein. Aber warum verspannt der Muskel eigentlich?

Yogatherapie

Auf den ersten Blick können Verspannungen viele Ursachen haben - beispielsweise Stress, eine schlechte Körperhaltung oder einseitige Belastung. Bei genauerer Betrachtung kann man jedoch alles auf einen Nenner bringen: Der Muskel ist einfach überfordert. Entweder der verspannte Muskel selbst oder ein benachbarter Muskel mit ähnlicher Funktion ist zu schwach für seine Aufgabe. Dehnübungen helfen zwar, die Verspannung zu lösen, doch der Erfolg ist häufig nur von kurzer Dauer, denn an der Ursache ändert das Dehnen nichts: Der Muskel wird nicht gekräftigt und aufgrund alltäglicher Belastungen kommen die Verspannungen schnell wieder zurück. Stress und einer unausgewogenen Körperhaltung mit einer gezielten Yogapraxis zu begegnen, ist ein um einiges aussichtsreicherer Ansatz als bloßes Dehnen. Wenn man zusätzlich dem verspannten Muskel oder seinen Nachbarn mit ähnlicher Funktion zu mehr Kraft verhilft, können diese ihre Aufgaben mit Leichtigkeit erfüllen und es heißt schon bald: Verspannungen adeu!

Der Piriformis

Ein typisches Beispiel dafür ist der Musculus Piriformis (birnenförmiger Muskel). Er zieht tief unter dem großen Gesäßmuskel (Musculus Glutaeus Maximus) über das Kreuzbein-Darmbeingelenk (Sacroiliacalgelenk) und das Hüftgelenk (Cox). Der Muskel liegt an der Basis der Wirbelsäule und ist damit extrem anfällig für eine unausgewogene Körperhaltung. Obendrein reagiert er auf Stress sehr sensibel mit Verspannungen. Es gibt zahlreiche Yogaübungen, um diesen Muskel zu dehnen (siehe beispielsweise in der YOGA JOURNAL-Ausgabe September/Oktober 2013). In diesem Fall soll ihm jedoch über Kräftigung zur Entspannung verholfen werden.

Schwache Freunde

Gleich oberhalb des Piriformis liegt der große Gesäßmuskel. Genau wie dieser zieht er mit seinem unteren Anteil (Pars Intimus) vom Kreuzbein zum großen Rollhügel des Oberschenkels (Trochanter Major). Mit seinem oberen Anteil (Pars Superior) verläuft er vom Beckenkamm zum großen Rollhügel. Piriformis und Glutaeus Maximus teilen sich beinahe dieselbe Funktion: Streckung und Außenrotation im Hüftgelenk. Der untere Teil des Glutaeus Maximus stabilisiert zudem, genau wie der Piriformis, das Sacroiliacalgelenk. Bildlich gesprochen sind der relativ kleine Piriformis und der, im Vergleich dazu, große Glutaeus Maximus gute Freunde. Leider neigt der große zur Faulheit, während sich der Kleine abrackert! Nicht umsonst wird in jedem Fitnessstudio ein "Bauch, Beine, Po"-Kurs angeboten. Während der Po leicht schwach und damit schlaff wird, bekommt sein kleiner Freund, der Piriformis, ein Zuviel an Belastung - und verspannt.

Auf die Matte ...

Natürlich muss man, um den Glutaeus Maximus zu kräftigen, nicht ins Fitnessstudio gehen. Die Yogamatte kann mit den folgenden Übungen ebenso zum effektiven Trainingsort für den Po werden. Das gleiche Prinzip kann man übringens auch bei anderen Körperregionen beherzigen. Beispielsweise verspannt im Nacken oft der kleine, tief liegende Musculus Levator Scapulae (Schulterblattheber) unter dem großen, oft geschwächten Musculus Trapezius (Kapuzenmuskel). Auch hier wirken kräftigende Übungen für den Nacken oft wahre Wunder. Viel Freude beim Üben!