Das dritte Kapitel der Hatha-Yoga Pradipika von Svatmarama. Hier geht es vor allem um Mudra und Bandha, aber auch die Oli-Techniken.

Hatha Yoga Pradipika

tritiyopadeshah

Satz 1

sa-shaila-vana-dhatrinam yathadharo.ahi-nayakah |"
sarvesham yoga-tantranam tathadharo hi kundali ||1||

सशैलवनधात्रीणां यथाधारो.अहिनायकः ।"
सर्वेषां योगतन्त्राणां तथाधारो हि कुण्डली ॥१॥

sa-śaila-vana-dhātrīṇāṁ yathādhāro.ahi-nāyakaḥ ।"
sarveṣāṁ yoga-tantrāṇāṁ tathādhāro hi kuṇḍalī ॥1॥

So wie der König der Schlangen die Gebirge und Wälder der Erde trägt, |
so trägt die Kundalini ohne Zweifel die Yoga Tantren ||1||

sa = mit
śaila = Berge, Gebirge
vana = Wald, Wälder
dhātrīṇām = der Erde
yatha = (correlativ zu tathā) so wie, wie
adhāraḥ = Basis, Stütze, hier: Stütze ist, Basis ist
ahi = Schlange. Nach Jyotsna ein Name von Śeṣa, dem König der Nagas. Nagas sind Götter die im Hinduismus in Schlangenform verehrt werden.
nāyakaḥ = Herr, König

sarveṣām = von allen
yoga = Yoga
tantrāṇām = von den Tantras
tathā = (in Bezug zu yatha) so, auf diese weise
adhāraḥ = Basis, Stütze, hier: Stütze ist, Basis ist
hi = wahrlich, sicherlich
kuṇḍalī = auch Kuṇḍalinī - Symbol der göttlichen Kraft im Menschen

Schon im ersten Vers der Hatha-Yoga Pradipika wird deutlich, dass das Hatha-Yoga und insbesondere die Praxis der Mudras zu den Tantren gehört. Für beide, das Hatha-Yoga und das Tantra führt die mythologische Folge der Lehrer zurück auf Matsiendra.
Tantra wird Heute im Westen gerne mit Liebeskunst verwechselt. Bücher über Tantra gleichen so oft pornographischen Werken. Sicher beruhen auch die indische Liebeskunst mit ihrem "Kama Sutra" oder "Rati Ratna Pradipika" auf einer tantrischen Philosophie, doch damit ist das Tantra noch lange nicht ausgeschöpft.

Ganz im Gegenteil, die sexuellen Ausschweifungen werden schon in den alten Texten des Tantra als eine Gefahr seiner eigenen Lehre dargestellt. Vor langer Zeit, so schildern die alten Legenden war Matsiendranath, der mythologische Begründer des Tantra, selbst der Ausschweifung zum Opfer gefallen und wurde so zum "Gefangenen im Frauenkönigreich". Durch das Leben in sinnlicher Lust verlor Matsiendra seine Energie und obschon er den Tod bereits besiegt hatte wurde er schwächer und alterte. Beinahe wäre er so auf seinem Ausflug in das Reich der Erotik verstorben. Doch schließlich gelang es Goraksha seinem treuen Schüler den zum Greisen gewordenen Yoga-Meister von seinem Laster zu befreihn. Diese Legende ist der Grund warum Matsiendra auf Abbildungen oft als alter Mann mit langem weißen Bart dargestellt wird, während der junge Goraksha einen schwarzen Bart trägt.

Ursprünglich gab es im Hinduismus nur drei Ziele: Vergnügen, Vermögen (Erfolg) und Ehre (Gesetz). Erst mit den Upanishaden und Sadhus kam das vierte Ziel, die Erlösung, hinzu. Der Beginn des dritten Kapitels der Hatha-Yoga Pradipika spielt eine Schlüsselrolle. Er verdeutlicht den tieferen Sinn der im folgenden Kapitel erklärten Mudras. Sie sollen Kundalini, das schlafende göttliche Potiential im Menschen, erwecken und so direkt zur Erlösung oder Selbsterkenntnis führen.