Wie bist du gemeinsam mit Anna Trökes auf die Idee gekommen, ein Yogabuch für Fortgeschrittene zu schreiben?
Zwar sind sich alle einig, dass Flexibilität nicht das Ziel des Yoga ist, dennoch wird eine Position, die viel Flexibilität erfordert oft als „fortgeschritten“ bezeichnet. Mit diesem Buch möchten wir vor allem erklären, was es wirklich bedeutet, fortgeschritten zu üben und auf unserem Yogaweg voranzuschreiten.
Ist euer Buch auch für Yogis anderer Stilrichtungen (z. B. Kundalini) geeignet?
Anna und ich haben völlig verschiedeneYogahintergründe. Daher heben wir im Buch keine konkrete Traditionslinie hervor. Vielmehr erklären wir die Grundlagen, auf denen die meisten heute verbreiteten Wege des Hatha Yoga auf bauen.
Die Übungen, die wir beschreiben, sind Beispiele für archetypische Motive der Praxis. Dabei begrenzen wir uns nicht auf die Körperhaltungen (Asanas), sondern bilden das ganze Spektrum mit Pranayama-, Mudra- und Meditations- Techniken ab.
Zu jeder Übung gibt es nicht nur eine genaue Anleitung sondern auch eine Erklärung des philosophischen und mythologischen Hintergrundes. Natürlich finden auch die physiologisch-anatomischen Wirkungsweisen und Besonderheiten ihren Platz.
Ab wann kann man sich denn selbst als „fortgeschritten“ bezeichnen, wenn es um Yoga geht?
Fortgeschritten zu praktizieren, heißt für mich, Yoga als ganzheitliches Übungssystem zu erkennen. Auch wenn Hatha Yoga mit dem Physischen beginnt, ist es keineswegs auf Körperübungen beschränkt. Wenn wir voranschreiten, verlassen wir schließlich diese Oberfläche. Durch die Arbeit mit feinstofflicheren Energien werden Gefühle und Gedanken anders erlebt. Diese Entwicklung vom Groben zum Feinen ist der wahre Fort- schritt auf dem Weg des Hatha Yoga.
Einerseits steht im Yoga-Sutra von Patanjali, dass wir unserem Ziel umso näher kommen, „je stärker unser Vertrauen ist und je intensiver unsere Bemühungen sind“ (I.20/21). Andererseits gilt ein zu starkes Bemühen als eins der größten Hindernisse auf dem Yogaweg. Ist es nicht gerade für fortgeschrittene Yogis schwer, diese Grenze zwischen zu wenig und zu viel Eifer für sich selbst auszuloten?
Genau das ist eines der großen Miss- verständnisse im Yoga. Anfänger glauben, das Einnehmen einer besonderen Körperhaltung würde etwas verändern. Sie streben oft mit übersteigertem Eifer danach. Doch in Wirklichkeit kommen wir der Erfahrung des Yoga nicht näher, indem wir unseren Fuß hinter den Kopf legen, sondern, wie Patanjali im Yoga-Sutra I.12 schreibt: „Abhyasa- vairagya-abhyam-tan-nirodhah.“
Durch die Balance (Abhyam) aus Enthusiasmus (Abhyasa) und Gelassenheit (Vairagya) erreichen wir die Ruhe des Geistes (Tan Nirodhah), die das Ziel des Yogaweges darstellt.
Erst durch diese Balance können wir (ausgehend vom physischen Erleben) immer tiefer in subtilere Bereiche eintauchen.
Yoga erfreut sich in Deutschland ja nun schon seit einer Weile großer Beliebtheit. Hast du im Verlauf der letzten Jahre einen Wandel bei den Praktizierenden feststellen können? Gibt es inzwischen mehr fortgeschrittene Yogis, die nicht nur ihre Asana-Praxis, sondern auch ihr Wissen im mentalen, philosophischen, energetischen und meditativen Bereich vertieft haben?
In Deutschland praktizieren heute mehr Menschen denn je Yoga. Ich beobachte hier zwei Entwicklungen: Die eine bringt Yoga in immer mehr Lebensbereiche und Umfelder. Auch wenn teilweise die Qualität darunter zu leiden droht, begrüße ich diese Entwicklung sehr. Sie bietet vielen Menschen einen neuen Zugang zum Yoga. Parallel dazu führt uns eine zweite Entwicklung in die Tiefe. Menschen, die schon seit Jahren regelmäßig praktizieren, begeben sich auf die Suche, um die Wirkung der Praxis auf alle Aspekte ihres Menschseins zu erfahren und so zur Essenz des Yoga vorzudringen.
Mir liegt vor allem die zweite Entwicklung am Herzen. Daher helfe ich auf Workshops und Ausbildungen, die Hintergründe der Praxis zu verstehen. Ich beleuchte die anatomisch- physiologischen Wirkungen und therapeutischen Aspekte genauso wie den traditionellen Ursprung und die philosophischen Konzepte inklusive ihrer Anwendung.
Das Buch von Anna und mir kann so einen Einstieg in die unermesslich reiche Schatzkammer des Yoga eröffnen. Viel Freude bei der Schatzsuche wünsche ich dem Leser!
„Yoga für Fortgeschrittene. Einfache und komplexe Asanas erlernen und vertiefen. Anatomische Zusammenhänge und Wirkungen verstehen. Mythologie, Symbolik und die geistige Ebene erschließen” von Ronald Steiner und Anna Trökes (GU, ca. 25 Euro).
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Das Urteil des Yoga Journal
In ihrem Buch danken Anna Trökes und Ronald Steiner am Ende den „Lehrern, die die Flamme der Begeisterung in uns entzündet haben, ein Leben lang auf dem Yogaweg zu wandeln.“ Diese Leidenschaft manifestiert sich in „Yoga für Fortgeschrittene“ auf jeder einzelnen Seite. Die Kapitel sind nicht nur ästhetisch anspruchsvoll bebildert und liebevoll illustriert, sondern auch sehr präzise, was die Anleitungen für die einzelnen Asanas, Bandhas und Mudras, Pranayamas und Meditationen angeht. So hält auch der komplexe Untertitel was er verspricht: Durch die Lektüre kann man nicht nur die eigene Praxis und das Wissen im anatomischen Bereich vertiefen, sondern sich auch von den Geschichten rund um die Mythologie und Symbolik verzaubern lassen. Möge die Flamme der Begeisterung noch lange in den beiden Autoren brennen!
Fazit: Ein großartiges Grundlagenbuch, das man immer wieder gerne in die Hand nimmt, weil man jedes Mal Neues entdeckt und das Verständnis für jeden einzelnen Aspekt des Yoga vertieft.