Oh Sānkr̥ti, dir wurde dieser Pfad der Weisen als achtgliedriges Yoga gelehrt.
Als nächstes werde ich die Doktrin der Siddhas so wie Kapila usw. lehren. Der Unterschied ist ein Unterschied der Praxis, aber das Ergebnis ist allerdings das gleiche.
Mudrā und Bandha
Die Mudrā-Techniken sind das zentrale Charakteristikum, was Haṭha-Yoga von früheren Yoga-Systemen unterscheidet.
Der Ursprung dieser Techniken liegt in dem frühesten uns erhaltenen Text, der diese Techniken lehrt. Allerdings nicht unter dem Namen Haṭha-Yoga. Dieser Text lautet Amr̥asiddhi.
Dieser Text dreht sich rund um die drei Techniken:
- Mahāmudrā (Kapitel 11),
- Mahābandha (Kapitel 12) und
- Mahāvedha (Kapitel 13).
Diese Techniken werden in der Amr̥tasiddhi zusammen, d.h. nacheinander praktiziert. Ziel ist es den normal sterblichen Körper zu einem unsterblichen Diamant-Körper (Vajrapañjana) zu transformieren.
Die Beschreibungen im Dattātreyayogaśāstra zu den drei genannten Techniken sind deutlich weniger detailliert als in der Amr̥tasiddhi. Tendenziell werden die Beschreibungen der Mudrās immer weniger detailliert, je weiter sich der jeweilige Text zeitlich von der Amr̥tasiddhi entfernt.
Die drei Techniken:
- Jālandharabandha,
- Uḍḍiyāṇa-bandha und
- Mūlabandha
sind technische Begriffe, die sich vom Mahābandha der Amr̥tasiddhi ableiten.
Zwei besonders frühe Haṭha-Yoga-Texte haben neben den meisten anderen Haṭha-Yoga-Texten nachweislich die Amr̥tasiddhi als direkte Kompositionsvorlage und sind für unseren Kontext wichtig:
- Das Gorakṣayogaśāstra und
- das Gorkaṣaśataka.
In beiden Texten werden die Grundideen und Praktiken der Amr̥tasiddhi, welche für eine tantrisch-buddhistisches Publikum kompiliert wurde, für ein Śaiva-Publikum aufbereitet. Die spezifisch buddhistische Terminologie wurde entfernt und durch Śaiva-Begriffe ersetzt oder ergänzt.
Die Śākta-pīṭhas als Namensgeber der Bandhas
Ein wichtiger Aspekt für Śaiva-Traditionen war die Verehrung der Göttin. Somit gaben diese Gruppierungen der mit ihr verbundenen Mythologie einen besonders hohen Stellenwert.
Hierbei sind für den Kontext der Bandhas besonders die sog. Śākta-pīṭhas von Bedeutung. Heilige Orte der Verehrung der Muttergöttin, die seit unbekannter Zeit wichtige Pilgerorte für Yogis waren und bis heute noch sind.
Diese Orte hatten, wie alles in der Außenwelt, ein mikrokosmisches Abbild im Inneren des yogischen Körpers. Diese Orte heißen:
- Jālandhara,
- Kāmarūpa,
- Uḍḍiyāna,
- Purṇagiri und
- Śrī-haṭṭaka (Gorakṣayogaśāstra 2, 14-16).
Die Śaiva-Tantriker und die Buddhistischen Tantriker eine extrem miteinander verwobene Geschichte und teilen viele ihrer Grundideen und Konzepte. Auch für tantrisch-buddhistische Yogis galten die Orte als heilig. Für die Śaiva-Yogis standen diese Orte jedoch deutlicher im Vordergrund. So wurde vor allem von den Śaiva-Haṭha Yogis jeder dieser Orte mit einer spezifischen Stelle im yogischen Körper in Verbindung gesetzt.
Die Entstehung dieser heiligen Stätten geht auf einen alten Mythos zurück. Aus dieser Idee ergeben sich die Namen Jālandharabandha und Uḍḍiyaṇabandha. Da sich der Pilgerort Jālandhara der Kosmologie und Körperkonzeption zu Folge im Hals und Uḍḍiyaṇa im Nabel befindet, wurden die Yogatechniken in denen etwas gebunden (bandha) werden sollte teilweise nach diesen Orten bekannt.
Aus dieser von der Amr̥tasiddhi abweichenden Namensgebung entwickelten sind in der Folge später eigenständige Techniken, wie bereits hier im Dattātreyayogaśāstra zu erkennen ist.
Der Mythos zu den Śākta-pīṭhas
Der mythologische Ursprung, der in den Brāhmanṇas, den Epen und den Pūurāanṇas1 wiedergegeben wird, lautet stark gekürtzt wie folgt:
Śiva war mit der Göttin Satī verheiratet, der Tochter von Daksṣa. Weil Dakṣa Śiva nicht ausstehen konnte, lud er ihn nicht auf ein großes Opferfest ein, dass er veranstaltete.
Weil ihr Vater Śiva nicht einlud, fasste Satīi dies als eine große Beleidigung auf. Aus diesem Grund warf sie sich selbst in das Opferfeuer und starb.
Daraufhin wurde Śiva sehr zornig und verwandelte sich zu Mahāarudra, dem “Gott der Zerstörung” und das Opfer endete in einem Massaker. Śiva köpfte seinen Stiefvater und ersetzte seinen Kopf mit dem einer Ziege. Śiva schaffte den Leichnam seiner Frau auf den Schultern weg.
Śivas Zorn war so schrecklich, dass er das gesamte Universum zu zerstören drohte. Um diese Situation zu entschärfen, drangen die Götter in Satīs Körper ein und zerteilten ihn. Die verschiedenen Teile von Satīis Körper fielen auf die verschiedenen heiligen Orte in Indien, die Śāaktapītṭhas, von denen Kāmarūupa der Mächtigste ist.
Für unsere Zwecke ist nun die Version des Kālikā Purāṇa (18.41-7) reich an Informationen, die hier in der Übersetzung von Hugh B. Urban wiedergeben wird:
“The gods entered the corpse of Satī in order to tear it to pieces so that various [holy] places could arise on the earth where these pieces fell. First the feet fell to earth in Devīkūtṭa. The thighs fell in Uḍḍiyāna for the good of the world. The yoni region fell in Kāmarūpa on Kāma hill. And to the east of that, the navel fell to the earth. The breasts, adorned with golden necklaces, fell in Jālandhara. The neck fell in Pūrnṇagiri, and the head again fell in Kāmarūpa. Out of his love for Satī, bound in infatuation, Śiva himself remained in the form of a phallus wherever these pieces fell.” (Urban 2010:35)
1: | Die Geschichte entwickelte sich über mehrer Stadien: Vom Śatapatha Brāhmaṇa (1.7.4.1-4) über Mahābhārata (12.274.36-39) in einer elaborierteren Form hin zu der Version im Kālikapurāṇa (18.41-4). Siehe (Urban 2010:34-35). |
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