Wie in den meisten achtgliedrigen Yogasystemen bilden die Yamas und Niyamasdie moralische und ethische Grundlage der Yogapraxis, des allgemeinen Handelns und die für die Erlangung des Yogaziels notwendige Grundhaltung an.

Dattatreyayogashastra
yamāḥNominativ Plural
yamāSubstantiv Maskulin
Regeln der Selbstbeherrschung, Umgang mit anderen
yeNominativ Singular
yadPronomen
welche
daśaNominativ Plural
daśaZahlwort
zehn
saṁproktāḥNominativ Plural
saṁpravacVerbalwurzel
sie haben gesagt
r̥ṣibhiḥInstrumentalis Plural
r̥ṣiSubstantiv Maskulin
durch die Seher
tattvaTatpuruṣa-Kompositum Akkusativ
tattvaSubstantiv Neutrum
die wahre Natur, So-heit, Wahrheit
darśibhiḥInstrumentalis Plural
darśinSubstantiv Maskulin
durch diejenigen die sehen
laghuKarmadhāraya-Kompositum
laghuAdjektiv
geringe
āhāraḥNominativ Singular
āhāraSubstantiv Maskulin
Nahrungsaufnahme
tu
tuPartikel
wahrlich
teṣuLokativ Plural
tadPronomen
bezüglich diesen
ekaḥNominativ Singular
ekaZahlwort
eine
mukhyaḥNominativ Singular
mukhyaAdjektiv
an der Spitze —, am Anfange befindlich; der erste, vornehmste, hauptsächlich, principalis, ursprünglich
bhavati3. Person Singular Indikativ Präsens
bhūVerbalwurzel
es ist
na
naPartikel
nichts
apareNominativ Plural
aparaAdjektiv
anderes

Von den Sehern, von denjenigen welche die wahre Natur [der Dinge] sehen, wurden zehn Regeln zum Umgang mit anderen (yama) verkündet. Hinsichtlich dieser [Regeln] ist wahrlich die “geringe Nahrungsaufnahme” an erster Stelle und nichts anderes.

ahiṁsāNominativ Singular
ahiṁsaSubstantiv Maskulin
Gewaltlosigkeit, nicht Verletzen
niyameṣuLokativ Singular
niyamaSubstantiv Maskulin
hinsichtlich der Beschränkungen, Umgang mit sich
ekāNominativ Singular
ekaZahlwort Feminin
die eine
mukhyāNominativ Singular
mukhyāAdjektiv Feminin
an der Spitze —, am Anfange befindlich; der erste, vornehmste, hauptsächlich, principalis, ursprünglich
bhavati3. Person Singular Indikativ Präsens
bhūVerbalwurzel
es ist
na
naPartikel
nichts
apareNominativ Plural
aparaAdjektiv
anderes

Innerhalb der Regeln im Umgang mit sich (niyamas) ist Gewaltlosigkeit an erster Stelle und nichts anderes.

Yama im Vergleich Patañjali und Yogayājñavalkya

Hinsichtlich der Yamas und Niyamas existieren signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Systemen:

Im Pātañjalayogaśāstra II.30 listet Patañjali fünf Yamas auf:

  1. Ahiṁsā: Gewaltlosigkeit
  2. Satya: Wahrhaftigkeit
  3. Asteya: Nicht-Stehlen
  4. Brahmacarya: Zölibat
  5. Aparigraha: Besitzlosigkeit

Im Yogayājñavalkya I.50-70 werden insgesamt zehn Yamas angegeben:

  1. Ahiṁsā: Gewaltlosigkeit
  2. Satya: Wahrhaftigkeit
  3. Asteya: Nicht-Stehlen
  4. Brahmacarya: Zölibat
  5. Dayā: Mitleid mit den Wesen
  6. Ārjava: Rechtschaffenes Benehmen
  7. Kṣamā: Geduld
  8. Dhr̥ti: Entschlossenheit
  9. Mitāhāra: Mäßiger Konsum
  10. Śauca: Reinlichkeit

Dattātreya spricht ebenfalls von insgesamt zehn Yamas, nennt jedoch überraschender Weise Laghvāhāra, die geringe Nahrungsaufnahme als erstes und wichtigstes Glied. Es scheinen also verschiedene Systeme innerhalb der verschiedenen Yogaströmungen existiert zu haben.

Niyama im Vergleich Patañjali und Yogayājñavalkya

Im Pātañjalayogaśāstra II.32 listet Patañjali die fünf Niyamas auf:

  1. Śauca: Reinlichkeit
  2. Santoṣa: Zufriedenheit
  3. Tapas: Austerität
  4. Svādhyāya: Selbststudium
  5. Praṇidhānāni: Hingebungsvolles Verehren von IIśvara

Das Yogayājñavalkya II.1-19 werden insgesamt zehn Niyamas angegeben:

  1. Tapas: Austerität
  2. Santoṣa: Zufriedenheit
  3. Āstikya: Ethisches Handeln
  4. Dāna: Großzügigkeit
  5. IIśvarapūjana: Hingebungsvolles Verehren von IIśvara
  6. Śiddhāntaśravaṇa: Das Zuhören des Vedānta (die Philosophie der Upaniṣads)
  7. Hrī: Einhalten der vedischen Grundideen
  8. Mati: Aufrichtigkeit
  9. Japa: Rezitation von vedischen Mantras
  10. Vrata: Schwur dem Pfad des ethische Verhaltens auf dem Weg zur spirituellen Freiheit zu folgen, Initiation durch den Lehrer

Es existieren demnach zahlreiche Parallelen aber auch Unterschiede zwischen den beiden Systemen. Erneut nennt Dattātreya zu unserer Überraschung Ahiṁsa als erstes und wichtigstes Glied der Niyamas.

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    Karin Mergel

    am 28.10.2021

    Geringe Nahrungsaufnahme im Sinn von bedarfsgerecht oder im Sinn von Fasten / zu wenig? Zweiteres kann auch eine Form von Gewalt gegen sich selbst darstellen. Geringe Nahrungsaufnahme im Sinn von bedarfsgerecht oder im Sinn von Fasten / zu wenig? Zweiteres kann auch eine Form von Gewalt gegen sich selbst darstellen.

    • Hallo Katrin,
      wie die Yogis damals das wirklich verstanden wissen wir nicht mit absoluter Sicherheit. Wir könnten es aber auch im übertragenen Sinne sehen. "Wenig Nahrungsaufnahme" wäre dann auch [...] Hallo Katrin,
      wie die Yogis damals das wirklich verstanden wissen wir nicht mit absoluter Sicherheit. Wir könnten es aber auch im übertragenen Sinne sehen. "Wenig Nahrungsaufnahme" wäre dann auch wenig Konsum (physischer und mentaler). Wir würden dann bewusst auswählen was wir mit unserer Zeit tun und nicht wahllos alles einfach aufnehmen. Daraus kann eine Zufriedenheit entstehen mit dem was wir haben.
      Viel Freude dabei wünscht Dir
      Ronald

  • Wow, geringe Nahrungsaufnahme. Schon damals ein Thema, heute mehr denn je! Wow, geringe Nahrungsaufnahme. Schon damals ein Thema, heute mehr denn je!

    • Es wird hier ja als Yama genannt, also eine Leitlinie im Umgang mit der Außenwelt. Spannend. :) Es wird hier ja als Yama genannt, also eine Leitlinie im Umgang mit der Außenwelt. Spannend. :)

    • Ah! Es ist umgekehrt, geringe Nahrungsaufnahme als Yama, Gewaltlosigkeit als Niyama, sehr spannend! Ah! Es ist umgekehrt, geringe Nahrungsaufnahme als Yama, Gewaltlosigkeit als Niyama, sehr spannend!