Yoga Balance: Wissenschaft trifft Wellness bei Endometriose

Endometriose – Betrifft mich das?

Endometriose tritt auf, wenn Gewebe, das normalerweise die Gebärmutter auskleidet, sich außerhalb davon ansiedelt. Dieser Zustand ist weit verbreiteter, als oft angenommen wird – etwa 10% aller junger Frauen könnten davon betroffen sein.

Zu den Symptomen zählen Bauchschmerzen, übermäßig starke Menstruation, Schmerzen beim Sex und bei der Darmtätigkeit sowie mögliche Unfruchtbarkeit. Rund die Hälfte aller menstruationsassoziierten Beschwerden steht in Verbindung mit Endometriose. Bei einigen Frauen verursacht das außerhalb der Gebärmutter liegende Gewebe jedoch keinerlei oder nur leichte Symptome, weshalb viele Fälle unentdeckt bleiben.

Die genauen Ursachen der Endometriose sind nicht vollständig verstanden, aber man geht von einer Kombination aus genetischen, immunologischen und hormonellen Faktoren aus. Eine Theorie ist die sogenannte retrograde Menstruation, bei der Menstruationsblut und Gewebe rückwärts durch die Eileiter in den Bauchraum gelangen und dort zu Endometrioseherden führen [Bulun 2022, Halme 1984, Seli 2003b].

Obwohl retrograde Menstruation bei 76-90% der menstruierenden Frauen nachweisbar ist, entwickelt nur ein kleinerer Teil von ihnen Endometriose, was darauf hindeutet, dass zusätzliche Faktoren wie das hormonelle, entzündliche oder immunologische Milieu eine Rolle spielen könnten [Seli 2003a].

Eine Diagnose wird häufig über eine gynäkologische Untersuchung, Ultraschall oder sogar eine Laparoskopie gestellt. Die Behandlung? So individuell wie die Frau selbst, von Schmerzmitteln über Hormontherapien bis hin zu operativen Eingriffen, immer mit Blick auf das Wohlbefinden und die Familienplanung.

Yoga-Mythen im Check: Riskieren Umkehrhaltungen Endometriose?

Umkehrhaltungen während der Menstruation werden häufig diskutiert. Basierend auf der Theorie der retrograden Menstruation, raten einige Yogalehrer*innen von solchen Positionen in dieser Zeit ab. Die Sorge: Umkehrungen könnten den natürlichen Menstruationsfluss umleiten und somit Endometriose begünstigen. Diese Annahme wird häufig mit den Lehren von BNS Iyengar in Verbindung gebracht, obwohl direkte Zitate fehlen. Trotzdem bleibt die Empfehlung unter Yoga-Affinen bestehen.

Meine Literaturrecherche ergab jedoch: Es fehlt an wissenschaftlichen Studien, die eine solche Verbindung klar belegen. Sowohl im Yoga als auch in anderen Sportarten wurde der Einfluss von Umkehrhaltungen auf die retrograde Menstruation nicht eindeutig nachgewiesen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass selbst eine mögliche Zunahme der retrograden Menstruation durch Umkehrhaltungen nicht zwingend zu Endometriose führt. Immerhin ist bei 70 bis 90% der Frauen eine retrograde Menstruation nachweisbar.

Dennoch: Es gibt viele schöne Yogahaltungen, die keine Umkehr beinhalten. Daher rate ich, auch wenn es vielleicht nur ein Mythos ist, während der Menstruation, die Yogapraxis ohne längere Umkehrhaltungen zu genießen.

Yoga Nidra - für hormonelle Harmonie

In einer Studie wurde die Wirkung von Yoga Nidra auf Frauen mit Menstruationsbeschwerden beleuchtet. Überraschend: Die regelmäßige Ausübung dieser geleiteten Entspannung wirkte sich positiv auf die hormonelle Balance aus. Die Praxis von Yoga Nidra führte zu einer signifikanten Verringerung der Werte von Schilddrüsen-stimulierendem Hormon, follikelstimulierendem Hormon, luteinisierendem Hormon und Prolaktin im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Besonders bei den typischen Beschwerden wie starken Regelblutungen oder Schmerzen verspricht Yoga Nidra Linderung und fördert das Wohlbefinden. Ein Plus für jede Frau, die ihren Körper natürlich ins Gleichgewicht bringen möchte [Rani 2013].

Endometriose Yoga - für mehr Wohlbefinden

In einer Studie mit dem Titel "Die Wirkung von „Endometriose Yoga' auf Stress und Lebensqualität bei Frauen mit Endometriose( The Effect of Practicing 'Endometriosis Yoga' on Stress and Quality of Life for Women with Endometriosis)" wurde untersucht, wie speziell für Endometriose entwickeltes Yoga Stress und Lebensqualität bei betroffenen Frauen beeinflussen kann.

An der Pilotstudie nahmen 52 Frauen mit diagnostizierter Endometriose teil, die acht Wochen lang herkömmliche Therapie erhielten, gefolgt von acht Wochen Endometriose-Yoga, jeweils 90 Minuten zweimal wöchentlich. Die Ergebnisse deuteten auf Verbesserungen bei Schmerzniveaus, Stress und der allgemeinen Lebensqualität nach Abschluss des Yoga-Programms hin [Ravins 2023].

Sanftes Hatha Yoga – eine Wohltat bei Endometriosebeschwerden

Eine weitere Studie mit dem Titel "The Practice of Hatha Yoga for the Treatment of Pain Associated with Endometriosis (Die Anwendung von Hatha Yoga zur Behandlung von Schmerzen bei Endometriose)" untersuchte in einer randomisierten Kontrollstudie die Wirkung von Yoga auf chronische Beckenschmerzen, Menstruationsmuster und Lebensqualität bei Frauen mit Endometriose. Die Teilnehmerinnen wurden in zwei Gruppen eingeteilt: eine Gruppe (28 Teilnehmerinnen) nahm an einem 8-wöchigen Yoga-Programm teil, während die andere Gruppe (12 Teilnehmerinnen) keine Yoga-Intervention erhielt. Es wurde festgestellt, dass die Yoga-Gruppe eine signifikante Reduktion der täglichen Schmerzen und Verbesserungen in verschiedenen Bereichen der Lebensqualität erlebte. [Gonçalves 2017].

Ähnliches fanden die gleichen Forscher bereits in einer Vorläufer Studie [Gonçalves 2016]. Die Teilnehmerinnen berichteten das Zusammenspiel von Körper und Psyche in der Yogapraxis besser erleben zu können. Gerade Atemübungen und bessere Selbstwahrnehmung empfanden die Teilnehmerinnen als hilfreich.

Sanfte Stärke: Beckenbodentraining und Endometriose

Physio- und Trainingstherapie, insbesondere des Beckenbodens, gilt als erste und wichtigste Maßnahme bei Endometriosebeschwerden. Diese Therapie legt ihren Fokus auf die oft die Endometriose begleitenden Beckenbodenfunktionsstörungen und muskuloskelettale Ungleichgewichte. So hilft gezieltes Training, aber auch Entspannungsübungen, den Teufelskreis aus aus Entzündungen, Reizungen und Schmerzen aufzulösen.

Hier ist es wichtig individuell angepasst zu üben. Bei manchen Frauen ist der Beckenboden eher verhärtet und chronisch verkrampft, bei anderen eher abgeschwächt und schlaff. Die Vision des Trainings ist ein Beckenboden der harmonisch Spannung aufbauen, lösen und halten kann. Je mehr Erfahrung die therapeutische Yogalehrer*in in diesem Bereich sammeln konnte, desto individueller kann sie die Übungen anpassen.

Beispielsweise könnten, bei Frauen, die unter einem verspannten Beckenboden leiden, klassische Kegel-Übungen, die auf Anspannung basieren, möglicherweise nicht die optimale Wahl sein. In solchen Fällen könnten 'Reverse Kegels', die das Entspannen des Beckenbodens betonen, vorteilhafter sein. Zudem können Dehnübungen einen wichtigen Teil der Behandlung darstellen. Es ist außerdem entscheidend, den Beckenboden auch dynamisch in Bewegungen des gesamten Körpers zu integrieren, anstatt sich auf eine rein statische Aktivierung zu beschränken.

Leider konzentriert sich die Forschung, zumindest meiner Literaturrecherche entsprechend, derzeit mehr auf operative Behandlungsergebnisse. Hier wäre meiner Meinung nach definitiv noch Raum für Studien rund um den Nutzen von verschiedenen Arten von Beckenbodentraining.

Empfehlungen vom Yoga Doc – im Einklang mit dem Zyklus

Basierend hierauf, empfehle ich in einem Yoga-Programm spezielle für Endometriosebeschwerden vor allem auch entspannende Haltungen, z.B. im Yin Style, zu integrieren. Denn diese geben den leichtesten Zugang zu einer sanften Selbstwahrnehmung. Die Entspannung scheint die hormonelle Balance zu fördern. Kombiniert mit beruhigenden Atemübungen entsteht so eine gut geeignete Yogapraxis.

Umkehrhaltungen können wir in dieser Praxis am besten vermeiden. Dafür entsteht Raum auch für eine Kräftigung und vor allem auch gezielte Entspannungsübungen für den Beckenboden und die tiefen Schichten der Bauchmuskulatur.

Literatur

Bulun SE. Endometriosis caused by retrograde menstruation: now demonstrated by DNA evidence. Fertil Steril. 2022 Sep;118(3):535-536. doi: 10.1016/j.fertnstert.2022.07.012. PMID: 36116802. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36116802/

Gonçalves AV, Makuch MY, Setubal MS, Barros NF, Bahamondes L. A Qualitative Study on the Practice of Yoga for Women with Pain-Associated Endometriosis. J Altern Complement Med. 2016 Dec;22(12):977-982. doi: 10.1089/acm.2016.0021. Epub 2016 Aug 23. PMID: 27552065. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27552065/

Gonçalves AV, Barros NF, Bahamondes L. The Practice of Hatha Yoga for the Treatment of Pain Associated with Endometriosis. J Altern Complement Med. 2017 Jan;23(1):45-52. doi: 10.1089/acm.2015.0343. Epub 2016 Nov 21. PMID: 27869485. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27869485/

Halme J, Hammond MG, Hulka JF, Raj SG, Talbert LM. Retrograde menstruation in healthy women and in patients with endometriosis. Obstet Gynecol. 1984 Aug;64(2):151-4. PMID: 6234483. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/6234483/

Rani M, Singh U, Agrawal GG, Natu SM, Kala S, Ghildiyal A, Srivastava N. Impact of Yoga Nidra on menstrual abnormalities in females of reproductive age. J Altern Complement Med. 2013 Dec;19(12):925-9. doi: 10.1089/acm.2010.0676. Epub 2013 May 6. PMID: 23647406. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23647406/

Ravins I, Joseph G, Tene L. The Effect of Practicing "Endometriosis Yoga" on Stress and Quality of Life for Women with Endometriosis: AB Design Pilot Study. Altern Ther Health Med. 2023 Apr;29(3):8-14. PMID: 35839113. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35839113/

Seli E, Arici A. Endometriosis: interaction of immune and endocrine systems. Semin Reprod Med. 2003 May;21(2):135-44. doi: 10.1055/s-2003-41320. PMID: 12917783. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12917783/

Seli E, Berkkanoglu M, Arici A. Pathogenesis of endometriosis. Obstet Gynecol Clin North Am. 2003 Mar;30(1):41-61. doi: 10.1016/s0889-8545(02)00052-9. PMID: 12699257. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12699257/