Mein Weg zum Yoga
Yoga entdeckte ich über ein Zeitungsinserat – ich hatte Rückenschmerzen und suchte nach Befreiung. So nahm ich an meiner ersten Hatha Yogastunde teil. Yoga wurde zu einem unregelmäßigen Begleiter, einem Sportersatz. Ich übte gern, fand aber noch keinen richtigen Bezug zur Philosophie und verfolgte einen anderen Lebensweg.
Erst als meine damals aktuelle Beziehung endete, entfaltete sich der Wunsch, mein Leben und meine „Wirklichkeit“ genauer zu betrachten. Im Yoga sollte es Methoden geben, die uns zu innerem Frieden führen. Das klang so spannend, dass ich mich auf die Suche nach einem*r Yogalehrer*in für eine Ausbildung machte.
Yogaschülerin und Yogalehrerin
Auf einem Workshop lernte ich Anna Trökes kennen. Ihre anschaulichen und bildhaften Beschreibungen von Patanjalis Yoga Sutra fesselten mich. Für mich war Anna immer eine Lehrerin „zum Anfassen“, nah und authentisch. In ihrem Ausbildungsprogramm entdeckte ich die gemeinsame Ashtanga Yoga Ausbildung mit Ronald. Nach einer MTC-Teilnahme bei Ronald in Braunschweig stand fest: Ich hatte meine Lehrer gefunden. Mit Ashtanga hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt wenig Erfahrung, doch in Ronalds Händen fühlte ich mich von der ersten Minute an sicher und vertraut.
Von September 2014 bis Mai 2016 absolvierte ich die AYI Inspired Ausbildung bei Ronald und Anna. In dieser Zeit geschah etwas Unerwartetes. Aus einem kleinen Yogafunken, einer Faszination, entzündete sich ein ganzes Feuer. Es brannte nicht nur für mich, es breitete sich aus. Aus einer kleinen Gruppe von Freunden, mit denen ich anfing zu üben, entwickelte sich eine eigene Yogaschule in Wolfenbüttel, das "Ashtanga Yoga For You". Hier unterrichte ich heute meine Schüler*innen mit Begeisterung und Freude.
Die Zweite Serie – Die Energiekanäle lassen grüßen
Nach dem Aufbau einer sicheren Basis habe ich in der dritten Ausbildungswoche mit dem Üben von Teilen der Zweiten Serie begonnen. Bis auf die Anjaneyasana-Sequenz habe ich sie jedoch in meine eigene Praxis zunächst nicht integriert. Etwa ein halbes Jahr später, in der vierten Ausbildungswoche, lernte ich die Zweite Serie bis Eka Pada Sirsasana einschließlich der Modifikationen für die intensiven Rückbeugen. Im Anschluss daran übte ich die Zweite Serie regelmäßig drei Mal pro Woche. Nach sechs Wochen mit dieser Praxis erfolgte allerdings eine unerwartete Auszeit durch meinen Rücken. Beim Unterrichten bekam ich einen Hexenschuss.
Behandlungsansätze – Hilfesuche im Außen
Der harmlose, mir wohlbekannte Hexenschuss entwickelte sich bald zu einer regelrechten Überraschungstüte. Ich konnte mich nicht beugen, nicht Autofahren, mein Pony nicht besuchen. Als Schuhe habe ich nur Schlappen getragen, weil ich meine Beine nicht beugen konnte, gegessen habe ich im Stehen, weil ich mich nicht setzen konnte. Jede Bewegung habe ich sorgfältig überdacht. Mein Rücken hat sich nur aufrecht und kerzengerade schmerzfrei angefühlt. Damit folgten notgedrungen auch vier Wochen arbeits-, unterrichts- und übungsfreie Zeit. Meinen Chiropraktiker suchte ich jetzt wöchentlich auf. Er löste zwar einige Blockaden am Iliosakralgelenk, wunderte sich aber über die starken Schmerzen. Meine grundsätzliche Statik sei ganz passabel, meinte er. Und: mein Körper "übertreibe". Wir fokussierten uns von nun an auf das Behandeln des Schmerzgedächtnisses meines Körpers. Es war möglich, dass sich eine unangenehme Erfahrung in meinem Körper manifestiert hatte und sich ein altes Problem seinen Weg an die Oberfläche suchte.
Samshaya –Selbstsabotage von innen
„Das Hirn hirnt.“, hatte uns Anna bereits in der Ausbildung erklärt. Meins kann dies zugegebenermaßen besonders gut, ich verbrachte viel Zeit mit Grübeln. Zuerst dachte ich darüber nach, zu welchem Zeitpunkt und aus welchem Grund der Hexenschuss aufgetaucht war. Hatte ich ein ungünstiges Adjustment gegeben? War mir an diesem Tag ein Moment im Alltag durch die Lappen gegangen, der mehr Aufmerksamkeit benötigt hätte? Und warum gerade jetzt, wo ich angefangen hatte, mich ernsthaft mit meinen ungünstigen Mustern auseinanderzusetzen?
Als nach gut vier Tagen keine Besserung in Sicht war, ging das Gedankenkarussell weiter: „Was, wenn es doch kein Hexenschuss ist? Was kann es dann sein? Wer kann mir helfen? Werde ich wieder gesund?“ Ein ganzes Knäuel an Ängsten, Ungewissheit, Zweifeln, Ungeduld, Selbstmitleid und Traurigkeit zog mich in der Gedankenspirale immer weiter nach unten. Ich fühlte mich hilflos, ohne Unterstützung, allein.
Gleichzeitig traten innerlich diverse Erwartungen und hohe Anforderungen an mich selbst auf. „Ich muss doch wieder arbeiten!“ sagte die innere Stimme. Jede Woche bei der Arbeit anzurufen und mich krank zu melden, dabei hatte ich ein unglaublich schlechtes Gewissen. Was sollten die Kollegen und die Chefs von mir denken? Ich übe Yoga und kann mich nicht bewegen. Es kam mir vor wie ein totaler Stillstand.
Zurück ins Leben
Je länger ich grübelte, desto trübsinniger wurden meine Gedanken und desto größer auch meine körperliche Unbeweglichkeit. Es entwickelte sich eine regelrechte Abwärtsdynamik.
Ein Wendepunkt setzte erst dann ein, als ich damit begann, meine Konzentration auf Dinge zu lenken, die ich konnte. Zunächst waren das ganz kleine Sachen wie etwa stocksteif auf dem Rücken liegen, Lebensmittel einkaufen, mir etwas kochen und im Wald spazieren. Nach vier Wochen wurde mein Rücken tatsächlich ein bisschen beweglicher und ich konnte wieder kurze Zeit sitzen, kleinere Strecken mit dem Auto zurücklegen, richtige Schuhe tragen. Bis zur vollständigen Heilung vergingen allerdings weitere Wochen und noch heute macht mein Rücken auf sich aufmerksam, wenn er sich besondere Zuwendung wünscht.
Durch Autogenes Training gelangte ich auf mentaler Ebene zu einer überraschenden Erkenntnis: Die Erwartungshaltung loszulassen, gesund sein zu müssen, und auch nur gesund wertvoll und liebenswert zu sein. Was für eine riesige Erleichterung. Ein weiteres Hilfsmittel was das Visualisieren: Ich habe begonnen, mir bildhaft vorzustellen, wie ich wieder auf meiner Yogamatte stehe und übe. Den schönsten Sonnengruß, den ich mir in meiner Fantasie vorstellen konnte. Und ich habe visualisiert, wie ich irgendwann einmal auf dem Mediationskissen sitzen und meinen Schülern*innen von meinen aktuellen Erlebnissen erzählen würde: „Damals, da ist mir etwas Außergewöhnliches passiert...." Dabei ist mir klar geworden, wie stark ich mit meinen Gedanken mein Leben gestalte. Mit anderen Worten, ich entscheide selbst, wie ich die Welt sehe - düster und ungerecht oder bunt und freundlich. Mit dieser Vision habe ich ein Flugticket für zwei Wochen in Purple Valley noch für dieses Jahr gekauft.
Pramada und Upeksha – (Un)Achtsamkeit und Gelassenheit
In der Phase der Unbeweglichkeit habe ich zudem angefangen, meine eigene Yogapraxis noch einmal bewusst zu hinterfragen. Dabei kam ich zu der Erkenntnis, dass ich bisher beim Üben keine Beschwerden hatte, es ging mir immer gut und ich fühlte mich nach der Praxis sehr ausgeglichen. Trotzdem habe ich nicht immer einen liebevollen, fürsorglichen Kontakt zu meinem Rücken und generell zu meinem Körper gehalten. Sogar noch während der Krankheit gab es Tage, an denen ich mich auf die Matte geschleppt und geübt habe, obwohl der Rücken förmlich nach einer Pause schrie.
„Der Yoga muss mir helfen!“, war in diesen Momenten mein einziger Gedanke. Am nächsten Tag war ich dann wieder beugungsunfähig. Auch diesen Gedanken musste ich erst loslassen und mich mit Beweglichkeit im Kopf, Klarheit und Gedankenstille beschäftigen. Schließlich war ich so weit, dass ich die Situation als nächsten Schritt meiner Entwicklung annehmen und mich darauf einlassen konnte. Dies gab mir auch die Kraft, mich mit schwierigen Aspekten aus der Vergangenheit auseinander zu setzen und beispielsweise die Beziehung zu meiner Mutter endlich zu klären – ein streckenweise sehr schmerzlicher Prozess. Er hat sich letztendlich gelohnt und war ein weiterer wichtiger Baustein auf meinem Weg zurück zu Lebendigkeit und Balance.
Dankbarkeit kultivieren
Rückblickend bin ich mir sicher, dass meine erzwungene Bewegungslosigkeit sehr wertvoll für mich war – und immer noch ist. Denn sie hat mich auf Dinge aufmerksam gemacht hat, die ich andernfalls in dieser Klarheit wohl nicht gesehen hätte. Ich habe gemerkt, wie viele Dinge ich wie selbstverständlich in meinem Alltag tue, ohne mir dessen bewusst zu sein. Erholt und frisch Aufstehen, in Ruhe Spazierengehen, gemütlich Teetrinken, einfach Autofahren, Yoga üben. All diese Aktivitäten waren da, sie waren aber so zur Gewohnheit geworden, dass ich sie überhaupt nicht mehr geschätzt habe. Mit dieser Erfahrung fällt es mir leichter, die schönen Seiten des Lebens zu sehen, achtsam und neugierig zu bleiben.
Dieses Erlebnis möchte ich teilen, weil der oder andere vielleicht in einer ähnlichen Situation ist oder es bereits einmal war: mental verstrickt oder mit seinen Ängsten und Zweifeln konfrontiert. Ich möchte euch Mut machen, aufmerksam und liebevoll mit euch selbst zu sein und das Beste aus eurem Leben zu machen.
After the rain comes sunshine.