Melanie: Hebamme, Yogalehrerin (AYI® Advanced und BDY) und TCM-Therapeutin. In Kitzbühel leitest Du die „KraftQuelle“, die unter einem Dach eine Hebammenpraxis, eine Yogaschule, eine Praxis für komplementäre Methoden und ein Seminarzentrum vereint. Das klingt nach einer ziemlichen „Power Frau“. Magst Du uns ein bisschen von Deinem Weg erzählen?
Martina: Mein Weg begann, wie letztendlich bei so vielen anderen auch, zu einer Zeit, in der mein Unterbewusstsein schon längst die Führung übernommen hatte – wobei mir das selbst zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht bewusst war. Ich erinnere mich allerdings, dass ich mit meiner Entscheidung, mein Humanmedizinstudium nach 5,5 Jahren abzubrechen, da mir persönlich dort der Bezug auf die „Ganzheit des Menschen“ zu fehlen schien, eine bewusste Entscheidung für mich getroffen habe.
Natürlich habe ich mich dabei intensiv mit all meinen „Schattenanteilen“ auseinandersetzen müssen, durfte gleichzeitig aber auch eine Klarheit entwickeln, die mich darin unterstützt hat, zu meiner Entscheidung zu stehen. Denn der Gegenwind von „außen“ war durchaus heftig und das Verständnis für meinen gefühlt wohl wichtigsten Schritt hin zu meiner eigenen Authentizität fehlte weitestgehend. Heute weiß ich: Genau da hat mein YOGA sadana begonnen.
Es folgten meine Diplomierung zur Hebamme und 7 Jahre Ausbildung in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) mit dem Abschluss zum Master of Acupuncture. Tatsächlich auf die Matte brachte mich mein Weg 2006, als ich die Ausbildung „Yoga für Hebammen“ begann. Damals war ich auf der Suche nach einer Möglichkeit, mich als Hebamme selbständig zu machen: Die Geburtenstation in einem kleinen Krankenhaus mit nur 6 Betten, in der ich bis dahin tätig gewesen war, wurde zu diesem Zeitpunkt gerade geschlossen. Ich hatte dort in einem sehr selbstverantwortlichen Arbeitsumfeld gearbeitet, das der Selbständigkeit recht ähnlich war und ein größeres Krankenhaus kam für mich nicht in Frage. Deshalb wollte ich für mich etwas verändern und den Schritt zu mehr Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit wagen.
Es folgten eine Ashtangaausbildung in Wien und ein „learn to fly“ Workshop bei Ronald – letzterer DER stepping stone für mich! 4,5 Jahre AYI® Ausbildung haben mich eine unsagbar große Vielfalt an Möglichkeiten der Selbsterfahrung erfahren lassen, die es mir ermöglicht haben, mir selbst näher zu kommen und meinen Weg zu gehen. Mit einer spürbaren Klarheit und Dankbarkeit kann ich Dir heute deshalb auch zustimmen und sagen: JA ich bin eine Power Frau! Deren größte Stärke es ist, neben all den wunderbaren Eigenschaften ihre Unvollkommenheit und Schwäche nach außen zu tragen – denn letztendlich sind wir alle Übende.
Melanie: Was war am Anfang Deines Weges Deine Vision? Hast Du gewusst, dass alles einmal so kommen wird?
Martina: Ich denke, meine Vision war von Anfang an, den „gesellschaftlichen Vorgaben“, wie das Leben in einem so kleinen Ort wie Kitzbühel auszusehen hat, den Rücken zu kehren. Ich bin seit 2009 alleinerziehend, habe mich aber nie durch die „reduzierten“ Möglichkeiten, die durch die Begleitung meiner beiden Kinder durchs Leben zweifelsohne gegeben sind, einschränken lassen und immer meine Ziele verfolgt. Dass ich allerdings derart viel Durchhaltevermögen habe, hätte ich selbst nie zu träumen gewagt! Meine AYI® Ausbildungsjahre haben mich vor allem emotional sehr gefordert, da ich durch die schwere Krankheit meiner lieben, im letzten Oktober verstorbenen Mama mit sehr viel Trauer und Sorge im Gepäck zu den einzelnen Ausbildungsmodulen gefahren bin. Ich habe aber trotzdem durchgehalten und auf diese Weise in den insgesamt 4,5 Jahren sehr viel mehr gelernt als nur die 1. Serie des Ashtanga Yogas. Gleichzeitig ist es mir gelungen, mit meiner KraftQuelle, die ich vor 5 Jahren eröffnet habe, Raum zu schaffen für ein bewusstes Miteinander. Dafür bin ich unendlich dankbar und stolz.
Melanie: Du begleitest Eltern vom Kinderwunsch, in der Geburtsvorbereitung bis zur Rückbildung. Welcher Rolle spielt dabei der Yoga?
Martina: Der Yoga ermöglicht es mir vor allem in Zeiten des Selbstzweifels, klar zu werden und meinem Motto „Wer seinen eigenen Weg geht, kann nicht überholt werden“ treu zu bleiben. In der heutigen Zeit, in der der Mensch – von Natur aus ein zyklisches Lebewesen – durch Hektik und Stress aus seinem Rhythmus förmlich herausgetrieben wird, sehe ich es in meiner Arbeit mit Kindern, Frauen und Männern als meine Aufgabe, diese zurück in ihre Eigenverantwortung zu begleiten, ihnen Mut zu machen Entscheidungen zu treffen, vorsorglich den eigenen Körper wieder als Spiegel zu sehen und der Weisheit des eigenen Körpers zu lauschen. Voraussetzung für diese reflektierte, bewusste Lebensführung ist die Stille. Der Yoga ist hierfür wohl das wertvollste Werkzeug.
Melanie: Und umgekehrt? Wie beeinflussen Deine Erfahrungen des Gebärens (Du bist ja ebenfalls Mutter zweier Kinder) bzw. das Begleiten von Geburten Deinen Yogaunterricht, vielleicht auch gerade von Nicht-Schwangeren?
Martina: Mein Yogaunterricht ist von meinen persönlichen Erfahrungen sowohl auf der Matte als auch im Leben generell geprägt. Meine Impulse an meine Schüler kommen immer aus meinen eigenen Erfahrungen heraus. “Wein trinken und Wasser predigen“ entspricht nicht meinem Wesen. Mein Ziel ist es, zu teilen was ich spüre und fachlich erklären kann, um auf diese Weise ein großes Feld des Miteinanders entstehen zu lassen. Das Bild einer Zwiebel hilft dabei zu verdeutlichen, wie sich mein Weg nach innen, vorbei an eigenem Ego, innerem Schweinehund, Widerständen und Erklärungen meines Intellekts, entwickelt und umsetzen hat lassen. Also nacheinander Zwiebelschale für Zwiebelschale ablegen und mit Geduld und Gelassenheit den eigenen Weg annehmen. Auch während des Ent-Bindens meiner Kinder durfte ich diese Erfahrung machen. Die Natur hat vorgegeben was IST– der medizinische Fortschritt führt uns in die Irre, weil er durch Anwendung von Schmerzmitteln und anderen Pharmakas Be-schwer-den lindert - für einen begrenzten Zeitraum wohlbemerkt. Die eigentliche Botschaft meines Körpers geht dadurch allerdings leider verloren und somit auch die Möglichkeiten, mich mit Schmerz und Loslassen auseinander zu setzen.
Melanie: Was würdest Du einer schwangeren Frau raten, die Ashtanga Yoga Innovation praktiziert? Wie kann sie ihre Yogapraxis in der Schwangerschaft anpassen?
Martina: Mein Rat ist immer: „Alles was DIR gut tut, ist auch für Dein Baby gut!“ Eine einfache Regel, die notwendig ist, um sich vom Vertrauen tragen zu lassen. Es gibt nichts, was ich nicht machen darf – mein Körperempfinden zeigt mir immer den richtigen Weg!
Melanie: Und was erwartet eine Schwangere, wenn Sie in der Schwangerschaft erstmals zu Dir zum Yoga kommt?
Martina: Zeit, Aufmerksamkeit, Präsenz. Ich bin dankbar für jede Möglichkeit, Frauen durch diese spannende neue Lebensphase begleiten zu dürfen. Hier entstehen Verbindungen, die durchs ganze Leben schwingen. Das Ergreifendste für mich ist, dass ich niemanden von einem bestimmten Weg überzeugen muss, denn jeder kommt bereits mit einer mehr oder weniger „bewussten Ausrichtung“ durch meine KraftQuellentür.
Melanie: Du bietest auch Mama-Baby-Yoga nach der Geburt an. Welche Vorteile hat Yoga gegenüber der klassischen Rückbildung für Schwangere?
Martina: Diese besondere Art der gezielten Rückbildung unterscheidet sich ganz klar durch ihren ganzheitlichen Ansatz. Während sich in klassischen Rückbildungskursen die Kursinhalte ganz eindeutig auf die anatomischen Strukturen des Beckenbodens und der Bauchmuskeln reduzieren, habe ich ein Konzept entwickelt, das mir erlaubt, mit AYI® den Denkansätzen der Traditionellen Chinesischen Medizin und der Sprache des Körper Brücken zu schlagen. Diese Brücken bringen Körper, Geist und Seele in Verbindung. In der weiteren Folge animieren sie die „jungen Mütter“, ihre alten Glaubenssätze abzulegen, um „neue Wege“ des Mama-, Frau- und Partnerin- SEINs für sich zu erkennen.
Gleichzeitig bieten wir in der KraftQuelle aber bei weitem nicht nur Kurse für Schwangere an oder beschränken uns auf die Begleitung (werdender) Eltern. Ganz im Gegenteil: In der KraftQuelle gibt es täglich AYI® Kurse für die unterschiedlichsten Levels, vom (Wieder-)Einsteiger bis hin zum Mysore Praktizierenden. Es ist also jeder willkommen, bei uns tiefer in den Yoga einzutauchen und seine innere Balance zu finden. Zusätzlich unterrichte ich regelmäßig im Q!Resort in Kitzbühel und diversen anderen Hotels, wo ich ebenfalls die AYI® Methode weiter gebe.
Melanie: Du bereitest gerade ein MTC zum Thema „AYI® für Schwangere“ vor. Was können die Teilnehmer von diesem Workshop erwarten?
Martina: Dieses MTC ist mein sprichwörtliches Baby und gerade im Entstehen: Es wird zeigen, wie AYI® für Schwangere modifiziert werden kann und wieviel Freiheit im Unterrichten von Schwangeren entstehen kann. Mein Know How und meine langjährige Erfahrung als Hebamme, TCM-Therapeutin und Energetikerin fließen in den theoretischen Teil so nachhaltig mit ein, dass jeder Unterrichtende die Ehrfurcht und Angst vorm Praktizieren mit Schwangeren verliert und Freude daran bekommt, diese neue Lebensphase zu begleiten.
Melanie: Möchtest Du uns sonst noch etwas von Dir erzählen? Was ist für Dein Leben privat und beruflich außerdem wichtig? Was hilft Dir, in einer seelischen und körperlichen Balance zu bleiben?
Mein persönlicher Fokus auf das Leben ist die Lebendigkeit in mir. Ich bin unterwegs zu mir selbst und entdecke mein tatsächliches Frau-Sein bzw. meine YIN Dualitäten jeden Tag neu. So habe ich begonnen, nicht nur darüber zu lesen oder zu reden, sondern bewusst entschieden, mein großes Können des Multi-Taskings abzulegen und stattdessen eins nach dem anderen zu erledigen. So gut ich es eben kann, aber immer Schritt für Schritt:
Wenn ich unterrichte, dann unterrichte ich.
Wenn ich liebe, dann liebe ich.
Wenn ich mit meinen Liebsten bin, übe ich mich im SEIN.
Und wenn ich meinen Rhythmus verliere, schließe ich kurz meine Augen, atme und verbinde mich mit mir, atme aus – und probiere es noch einmal.