Als “geheime” Technik erlernen wir nun Vajrolīmudrā. Dem Quelltext zufolge können wir die sexuelle Energie zwischen Mann und Frau für die Lenkung der Energie nutzen.

Dattatreyayogashastra
vajrolimAkkusativ Singular
vajroliSubstantiv Maskulin
Vajroli, eine aus dem Vajrayāna stammende Technik
kathayiṣyāmi;1. Person Futur Singular
kathVerbalwurzel
ich werde lehren
gopitamAkkusativ Singular
gopitaAdjektiv
geheim
sarvaKarmadhāraya-Kompositum
sarvaAdjektiv
alle
yogibhiḥInstrumentalis Plural
yoginSubstantiv Maskulin
von Yogis
atīva
atiAdverbivaAdverb
über die Maßen hinaus, sehr
atiAdverbüber
ivaAdverbgleichwie
etatNominativ Singular
etadPronomen
diese
rahasyamAkkusativ Singular
rahasyaSubstantiv Neutrum
Geheimlehre
tu;
tuPartikel
doch, nun
na
naPartikel
nicht
deyamAkkusativ Singular
deyaAdjektiv
zu geben
deyaPartizip Futur Passiv
Verbalwurzel
zu geben
Verbalwurzelgeben
yasyaGenitiv Singular
yadPronomen
welche
kasyaGenitiv Singular
kimPronomen
wessen, jemandem
cit
citSuffix
Indefinit-Kennzeichen, irgend

Ich werde Vajroli lehren. Es wird von allen Yogis geheim gehalten. Es ist wahrlich über alle Maße hinaus eine Geheimlehre, welche nicht irgendjemandem gegeben werden soll.

svaKarmadhāraya-Kompositum
svaAdjektiv
eigen
prāṇaiḥInstrumentalis Plural
prāṇaSubstantiv Maskulin
durch die Lebenskräfte
tu
tuPartikel
doch, nun
samaḥNominativ Singular
samaAdjektiv
in gleicher Weise
yaḥNominativ Singular
yadPronomen
wer
syāt; 3. Person Optativ Singular
asVerbalwurzel
er möge sein
tasmaiDativ Singular
tasmaiAdverb
doch
tadPronomen 3. Personder
na
naPartikel
nicht
kathayet3. Person Optativ Singular
kathVerbalwurzel
er soll lehren
dhruvamAkkusativ Singular
dhruvaAdjektiv
sicher, gewiss
svecchayā
svecchayāIndikativ
so er denn will, entsprechend dem eigenen Wünsche
vartamānaḥNominativ Singular
vartamānaAdjektiv
gegenwärtig
api
apiPartikel
auch, selbst, insbesondere
yogaBahuvrīhi-Kompositum
yogaSubstantiv Maskulin
Yoga
uktaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
uktaAdjektiv
gesagt, erzählt, gelehrt
niyamaiḥInstrumentalis Plural
niyamaSubstantiv Maskulin
Gelübde, für den Yoga auferlegte Regeln, Umgang mit sich
vinā
vināAdverb
ohne

Doch gewiss nicht einmal jemandem, der einem so viel wert ist wie sein eigenes Leben, soll man es lehren. Insbesondere jemandem der sich gegenwärtig frei verhält ohne die im Yoga gelehrten Regeln zu befolgen.

vajrolimAkkusativ Singular
vajroliSubstantiv Maskulin
Vajroli, eine aus dem Vajrayāna stammende Technik
yaḥNominativ Singular
yadPronomen
wer
vijānāti;3. Person Singular Indikativ Präsens
viPräfixjñāVerbalwurzel
er kennt
saḥNominativ Singular
tadPronomen 3. Person
der
yogīNominativ Singular
yoginSubstantiv Maskulin
Yogi
siddhiBahuvrīhi-Kompositum
siddhiSubstantiv Feminin
Vollendung, Perfektion
bhājanaḥNominativ Singular
bhājanaSubstantiv Maskulin
einer der etw. verdient

Wer Vajroli kennt, der ist ein Yogi der die Vollendung verdient.

tatra
tatraAdverb
bei dem Anlaß
vastuTatpuruṣa-Kompositum Akkusativ
vastuSubstantiv Maskulin
Ding
dvayamAkkusativ Singular
dvayaAdjektiv
die beiden, zweifach
vakṣye;1. Person Futur Singular
vacVerbalwurzel
ich werde nennen
durKarmadhāraya-Kompositum
durAdjektiv
schwer
labhamAkkusativ Singular
labhaAdjektiv
zu erlangen
yenaInstrumentalis Singular
yadPronomen
durch wen
kenaInstrumentalis Singular
kimPronomen
durch was?
cit
citPartikel
Indefinit-Partikel
labhyete3. Person Dual Präsens pass
labhVerbalwurzel
wird erlangt
yadi
yadiAdverb
wenn
tasyaGenitiv Singular
tadPronomen 3. Person
für ihn, von ihm
eva
evaPartikel
so, auf diese Weise
yogaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
yogaSubstantiv Maskulin
Yoga
siddhiTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
siddhiSubstantiv Feminin
Perfektion, Erfolg
karamAkkusativ Singular
karaAdjektiv
bewirkend
smr̥tamAkkusativ Singular
smr̥taAdjektiv
gelehrt, gesagt

Bei dem Anlass werde ich die beiden [hierfür nötigen] Dinge erklären. Sie sind für jeden schwer zu erlangen. Wenn sie von jemandem erlangt werden, dann wird gelehrt, [dass] sie so Erfolg im Yoga bewirken.

kṣīram Akkusativ Singular
kṣīraSubstantiv Maskulin
Milch, männliches Ejakulat
āṅgiTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
āṅgiSubstantiv Feminin
Name einer Prinzessin von dort
rasamAkkusativ Singular
rasaSubstantiv Maskulin
Flüssigkeit, Saft
ca
caPartikel
und
iti
itiPartikel
Kennz. der wörtl. Rede
dvayoḥAblativ Dual
dviZahlwort
von den beiden
ādyamNominativ Singular
ādyaAdjektiv
das erste
tu
tuPartikel
doch, nun
labhyate3. Person Singular Präsens pass
labhVerbalwurzel
zu bekommen
dvitīyamAkkusativ Singular
dvitīyaAdjektiv
zweites
durKarmadhāraya-Kompositum
durAdjektiv
schwer
labhamAkkusativ Singular
labhaAdjektiv
zu erlangen
puṁsā;Instrumentalis Singular
puṁsSubstantiv Maskulin
durch einen Mann
strībhyaḥAblativ Plural
strīSubstantiv Feminin
von Frauen
sādhyam Akkusativ Singular
sādhyaAdjektiv
für sich gewinnen, erhältlich sein
upāyataḥAblativ Singular
upāyaSubstantiv MaskulintasSuffix
durch ein fein angelegtes Mittel
upāyaSubstantiv Maskulinfein angelegtes Mittel, Mittel, Strategie
tasSuffixAblativ anzeigendes Suffix

Männliche Sexualflüssigkeit (kṣīra) und weibliche Sexualflüssigkeit (rasa). Das erste von den beiden ist unmittelbar zu bekommen. Schwer zu erlangen ist das zweite - von einem Mann ist es [meist nur] durch eine fein angelegte Strategie für sich zu gewinnen.

yogaBahuvrīhi-Kompositum
yogaSubstantiv Maskulin
Yoga
abhyāsaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
abhyāsaSubstantiv Maskulin
beharrliche Praxis
ratāNominativ Singular
ratāAdjektiv Feminin
hingegeben
strīNominativ Singular
strīSubstantiv Feminin
eine Frau
ca;
caPartikel
und
puṁsāNominativ Singular
puṁsSubstantiv Maskulin
durch einen Mann
yatnenaInstrumentalis Singular
yatnaSubstantiv Maskulin
mit Mühe, mit Sorgfalt
sādhayet3. Person Singular pass Präsens
sādhVerbalwurzel
wird erobert
pūmān Nominativ Singular
puṁsSubstantiv Maskulin
der Mann
strīNominativ Singular
strīSubstantiv Feminin
Frau
Partikel
oder
yatNominativ Singular
yadPronomen Neutrum
wer
anyonyamAkkusativ Singular
anyonyaAdjektiv
beidseitig, beide
anyonaAdjektiv
anyaAdjektivanyaAdjektiv
beidseitig
anyaAdjektivein anderer
strīDvandva-Kompositum
strīSubstantiv Feminin
Frau
puṁs
puṁsSubstantiv Maskulin
Mann
tva
tvāSuffix
sein
anapekṣayāInstrumentalis Singular
anapekṣaAdjektiv
unabhängig

Mit sorgfalt soll der Mann eine Frau erobern, die sich der Yogapraxis verschrieben hat. Sowohl ein Mann als auch eine Frau erlangen beidseitig Erfolg, [so] sie unabhängig von dem Geschlechtsakt [sind] …

svaKarmadhāraya-Kompositum
svaAdverb
eigen
prayojanaAblativ Tatpuruṣa-Kompositum
prajayonaSubstantiv Maskulin
Absicht
mātraKarmadhāraya-Kompositum
mātraSubstantiv Maskulin
Maß
ekaKarmadhāraya-Kompositum
ekaZahlwort
allein
sādhanāt Ablativ Singular
sādhanaSubstantiv Maskulin
aufgrund der Praxis
siddhim Akkusativ Singular
siddhiSubstantiv Maskulin
Erfolg
āpnuyāt3. Person Singular Optativ
āpVerbalwurzel
erlangt

… [und] es allein gemäß der eigenen Absicht aufgrund der spirituellen Praxis [tun].

calitaḥNominativ Singular
calitaAdjektiv
moving
yadi
yadiAdverb
wenn
binduḥNominativ Singular
binduSubstantiv Maskulin
der Same, der Bindu
tam; Akkusativ Singular
tadPronomen
er
ūrdhvram Akkusativ Singular
ūrdhvaAdjektiv
- nach oben gerichtet
ākr̥ṣyaAbsulotiv
āPräfixkr̥ṣVerbalwurzel
gezogen haben
āPräfixheran, hin, zu
kr̥ṣVerbalwurzelziehen
rakṣayet3. Person Optativ Singular
rakṣVerbalwurzel
er würde bewahrt werden

Wenn der Same (bindu) sich bewegt, soll er ihn nach oben ziehen und ihn bewahren.

evam
evamPartikel
so, auf diese Weise
ca
caPartikel
und
rakṣitaḥNominativ Singular
rakṣitaAdjektiv
bewahrt
rakṣitaPartizip Perfekt Passiv
rakṣVerbalwurzel
bewahrt
rakṣVerbalwurzelbewahren
binduḥNominativ Singular
binduSubstantiv Maskulin
der Samen, der Bindu
mr̥tyumAkkusativ Singular
mr̥tyuSubstantiv Maskulin
der Tod
jayati3. Person Singular Indikativ Präsens
jiVerbalwurzel
er besiegt
tattvataḥ
tattvaSubstantiv NeutrumtasSuffix
Wahrheit, Natur, Wesen, wahre Natur
maraṇamNominativ Singular
maraṇaSubstantiv Neutrum
Sterben
binduTatpuruṣa-Kompositum Ablativ
binduSubstantiv Maskulin
Samen, Bindu
pātena;Instrumentalis Singular
pātaSubstantiv Maskulin
durch den Fall
jīvanamNominativ Singular
jīvanaSubstantiv Neutrum
Leben
binduTatpuruṣa-Kompositum Ablativ
binduSubstantiv Maskulin
Samen, Bindu
dhāraṇātAblativ Singular
dhāraṇaSubstantiv Maskulin
aufgrund der Bewahrung

Der Same (bindu), der auf diese Weise bewahrt wird, besiegt den Tod (mr̥tyu) - das ist ein Naturgesetz.
Sterben [entsteht] durch den Fall von Samen (bindu), Leben von der Bewahrung von Samen (bindu).

binduTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
binduSubstantiv Maskulin
Samen, Bindu
rakṣāTatpuruṣa-Kompositum Akkusativ
rakṣāSubstantiv Feminin
die Bewahrung
prasādena;Instrumentalis Singular
prasādaSubstantiv Maskulin
durch durch die bloße
sarveAkkusativ Plural
sarvaAdjektiv
alle
sidhyanti3. Person Indikativ Präsens
sidhVerbalwurzel
er vervollkommnet
yoginaḥNominativ Plural
yoginSubstantiv Maskulin
die Yogis

Allein durch die Bewahrung des Samens (bindu) werden alle Yogis vervollkommnet.

Ursprünge von Vajrolimudrā

Diese Technik wird erstmals schriftlich (jedoch nicht explizit unter diesem Namen) in dem frühen Yogatext namens Amanaska erwähnt. Die erste namentliche Erwähnung findet hier im Dattātreyayogaśāstra statt.

Yoga und Sexualflüssigkeiten

Schon in den frühesten Beschreibungen von Mudrā-Techniken in den Haṭha-Yoga-Texten geht es um die Kontrolle von Atem, Samen (bindu) und somit dem Geist. Die Bewegung des Einen, bedingt die Bewegung des Anderen.

Im Dattātreyayogaśāstra ist der Zweck von Vajrolīmudrā die Kontrolle von Samen (bindu). Für die Praktizierung werden zwei Substanzen benötigt: männliche Geschlechtsflüssigkeit (kṣīra) und weibliche Geschlechtsflüssigkeit (āṅgirasa).

Die Technik wird nicht explizit beschrieben. Es wird im Grunde nur gesagt, dass der jeweilige Samen bewahrt werden soll und sowohl Männer als auch Frauen mit dieser Technik Erfolg im Yoga haben können. Es wird jedoch indirekt impliziert, dass Mann und Frau Sex haben sollen um nach dem Akt die vermischten Geschlechtsflüssigkeiten wieder zurück in den Körper zu ziehen. Für eine ausführliche Diskussion von Vajrolīmudrā siehe (Mallinson: 2013).

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