Tauche ein in die Welt aus Objekten (artha) und Worten (sabda), Du verstehst wie Sprache entsteht. Tauche ein in die Welt der Prägungen (saṁskāra) und Du verstehst die Vergangenheit. Selbst der Wahrnehmungsraum eines Anderen (para-citta) kann ein Meditationsobjekt werden.

Yoga Sutra 3: Über Ergebnisse der Yogapraxis
śabdaDvandva-Kompositum
śabdaSubstantiv Maskulin
Wort, Klang
śabdaSubstantiv Maskulin
śabdVerbalwurzel
Wort
śabdVerbalwurzelein Geräusch, Ton machen, rufen
arthaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
arthaSubstantiv Maskulin
Ding, Objekt, Ziel, Zweck
pratyayānāmGenitiv Plural
pratyayaSubstantiv Maskulin
Eindruck, Vorstellung, fester Glaube
pratyayaSubstantiv Maskulin
pratiPräfixiVerbalwurzel
Glaube, feste Überzeugung, Gewissheit, Vorstellung
pratiPräfixzurück, entgegen, gegen
iVerbalwurzelgehen, ausgehen, hingehe
itaretaraKarmadhāraya-Kompositum
itaretaraAdverb
gegenseitig
itaretaraAdverb
itaraAdverbitaraAdverb
gegenseitig
itaraAdverbdies - das
adhyāsātAblativ Singular
adhyāsaSubstantiv Maskulin
falsche Übertragung
adhyāsaSubstantiv Maskulin
adhiPräfixasVerbalwurzel
Aufsetzen, Aufstellen, falsche Übertragung
adhiPräfixüber, jenseits
asVerbalwurzelsein, dasein, vorhanden sein, geschehen
saṁkaraḥNominativ Singular
saṁkaraSubstantiv Maskulin
Vermischung
saṁkaraSubstantiv Maskulin
samPräfixkr̥Verbalwurzel
Vermengung, Vermischung, Mischung
samPräfixzusammen, mit
kr̥Verbalwurzelmachen, vollbringen, ausführen
tatTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
tatPronomen 3. Person
dieser
pravibhāgaTatpuruṣa-Kompositum Lokativ
pravibhāgaSubstantiv Maskulin
Trennung
pravibhāgaSubstantiv Maskulin
praPräfixviPräfixbhajVerbalwurzel
Teilung, Sonderung, Einteilung
praPräfixvorwärts, vorne
viPräfixgetrennt, unterschiedlich, auseinander
bhajVerbalwurzeltrennen
saṁyamāt Ablativ Singular
saṁyamaSubstantiv Maskulin
Zusammenführen, Meditation
saṁyamaSubstantiv Maskulin
samPräfixyamaSubstantiv Maskulin
das Zusammenbinden, Aufbinden, Fesselung, Bändigen, Zügeln, Sinnesbeherrschung
samPräfixzusammen, mit, völlig
yamaSubstantiv Maskulin
yamVerbalwurzel
Zügel
yamVerbalwurzelhalten, festhalten, tragen
sarvaKarmadhāraya-Kompositum
sarvaAdjektiv
alle
bhūtaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
bhūtaSubstantiv Neutrum
Wesen, Lebensformen, grobstoffliches Element
bhūtaSubstantiv Neutrum / Partizip Perfekt Passiv
bhūVerbalwurzel
Wesen, grobstoffliches Element
bhūVerbalwurzelwerden, entstehen, geschehen
rutaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
rutaSubstantiv Neutrum
Ausdrucksform, Gebrüll
rutaSubstantiv Neutrum / Partizip Perfekt Passiv
ruVerbalwurzel
Gebrüll
ruVerbalwurzelbrüllen, laut schreien, heulen, toben
jñānamNominativ Singular
jñānaSubstantiv Neutrum
Verständnis, Wissen
jñānaSubstantiv Neutrum
jñāVerbalwurzel ana |suff Neutrum
Wissen
jñāVerbalwurzelwissen, kennen
anaSuffix NeutrumKr̥t-Suffix mit Guṇa-Stufe: bezeichnet eine Handlung

Vermischung (saṁkāraḥ | nom sg) [entsteht] aus der gegenseitigen fälschlichen Übertragung (itaretarādhyāsāt | abl sg) von Wort, Bezeichnung und Aussehen (śabdārta-pratyayānam | nom pl)a. Durch Meditation auf die Trennung dieser (tat-pravibhāga-saṁyamāt | abl sg) [entsteht] Verständnis der Ausdrucksform aller Wesen (sarva-bhūta-ruta-jñānam | nom sg).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich

a:

Saussure (Sprachwissenschafter) - Signifikat (Das bezeichnete Ding) und Signifikant (Wort) sind voneinander getrennt / verschieden. Ein Wort eröffnet verschiedene Vorstellungsräume je nach Kultur, Sprache, …


Wie wir ein Objekt oder eine Situation bezeichnen (śabda), richtet unsere Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt dieses Objektes oder dieser Situation (pratyaya). Daraus leitet sich die Bedeutung ab, die dieses Objekt oder Situation für uns bekommt (artha). Durch eine andere Bezeichnung kann also das gleiche Objekt oder Situation ganz anders wahrgenommen werden und anders seine Wirkung entfalten.
Doch im Grunde sind diese drei Ebenen (Bezeichnung, Zweck und Wahrnehmung) getrennt voneinander. Kannst Du verschiedene Wahrnehmungen einnehmen, so siehst Du auch verschiedene Einsatzmöglichkeiten und verstehst verschiedene Bezeichnungen dieses Objektes. So erst wird Verständigung mit Menschen einer anderen Sichtweise oder eines anderen Kulturkreises möglich.

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Indem man bei der Erkenntnis von Worten und Begriffen eines auf ein anderes überträgt, entsteht eine Vermengung; indem man bei ihrer Unterscheidung die Allzucht anwendet, erfolgt das Verstehen der Stimmen aller Tiere.

Paul Deussen - 1908


A confusedness of Śabda (an uttered sound or a word). Artha i.e., class, quality, action etc. and pratyaya (knowledge) arises from comprehending these three indiscriminately. (But when an ascetic views these separately by performing sanyama, restraint, with regard to them, A knowledge (is produced in him) of the speech of all living beings (i.e., he has a power of understanding theirs spech).

James R. Ballantyne - 1852


Word and intended-object and presented-idea are confused because they are erroneously identified with each other. By constraint upon the distinctions between them [there arises the intuitive] knowledge (jnana) of the cries of all living beings.

James Haughton Woods - 1914

saṁskāraTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
saṁskāraSubstantiv Maskulin
alte Eindrücke, Prägungen
saṁskāraSubstantiv Maskulin
samPräfixkāraSubstantiv Maskulin
Zubereitung, Eindruck, Anlage des Geistes
samPräfixzusammen, mit
kāraSubstantiv Maskulin
kr̥Verbalwurzel
Tat, Handlung
kr̥Verbalwurzeletwas machen, vollbringen, ausführen
sākṣātkaraṇāt Ablativ Singular
sākṣātkaraṇaSubstantiv Neutrum
Schauen, Betrachtung
sākṣātkaraṇaSubstantiv Neutrum
sākṣātAdverbkaraṇaAdjektiv
Schauen, Betrachtung
sākṣātAdverb
saPräfixakṣaSubstantiv Neutrum
mit Augen, mit eigenen Augen, offenbar, in Wirklichkeit
saPräfixmit X
akṣaSubstantiv NeutrumSinnesorgan, Auge
karaṇaAdjektiv
kr̥Verbalwurzel
kunstfertig
kr̥Verbalwurzelmachen, vollbringen, ausführen, bewirken
pūrvaKarmadhāraya-Kompositum
pūrvaAdjektiv
vorangegangen, östlich
jātiTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
jātiSubstantiv Feminin
Geburt
jātiSubstantiv Feminin
janVerbalwurzel
Geburt
janVerbalwurzelentstehen
jñānamNominativ Singular
jñānaSubstantiv Neutrum
Verständnis
jñānaSubstantiv Neutrum
jñāVerbalwurzel ana |suff Neutrum
Wissen
jñāVerbalwurzelwissen, kennen
anaSuffix NeutrumKr̥t-Suffix mit Guṇa-Stufe: bezeichnet eine Handlung

Aus der [meditativen (saṁyama)] Betrachtung von Prägungen (saṁskāra-sākṣātkaraṇāt | abl sg) [entsteht] Verständnis über das vorangegangene Leben (pūrva-jāti-jñānam | nom sg).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich


Wenn Du Dich selbst intensiv beobachtest, wirst Du Deine Neigungen und Prägungen wahrnehmen. Du wirst dann auch verstehen, wie diese in Deinem bisherigen Leben entstanden sind. Du wirst sogar Prägungen finden, die aus Deiner Familie, Deiner Kultur oder noch längerer Vergangenheit auf Dich übertragen wurden.

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Aus der Vergegenwärtigung der Sâṃskâra’s [der aus den Werken einer frühern Geburt resultierenden Charaktereindrücke] erfolgt Kenntnis der frühern Geburt.

Paul Deussen - 1908


A knowledge of the class (etc., experienced) in former birth (arises) from presenting to our mind (sākṣātkaraṇa)– the trains of self-productive thought– samskāras (of the internal organ).

James R. Ballantyne - 1852


As a result of direct-perception of subliminal impressions there is [intuitive] knowledge of previous births.

James Haughton Woods - 1914

pratyayasyaGenitiv Singular
pratyayaSubstantiv Maskulin
Eindruck, feste Vorstellung, Glaube
pratyayaSubstantiv Maskulin
pratiPräfixiVerbalwurzel
Glaube, feste Überzeugung, Gewissheit, Vorstellung
pratiPräfixzurück, entgegen, gegen
iVerbalwurzelgehen, ausgehen, hingehe
paraKarmadhāraya-Kompositum
paraAdjektiv
fremd, anders, verändert, höher
cittaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
cittaSubstantiv Neutrum
Wahrnehmungsraum, Geist
cittaSubstantiv Neutrum / Partizip Perfekt Passiv
citVerbalwurzel
Denken, Vorstellung, Gedanke, Herz, Gemüt, Geist, Wahrnehmungsraum
citVerbalwurzelwahrnehmen, bemerken, beobachten
jñānamNominativ Singular
jñānaSubstantiv Neutrum
Verständnis, Wissen
jñānaSubstantiv Neutrum
jñāVerbalwurzel ana |suff Neutrum
Wissen
jñāVerbalwurzelwissen, kennen
anaSuffix NeutrumKr̥t-Suffix mit Guṇa-Stufe: bezeichnet eine Handlung

[Durch meditative (saṁyama) Betrachtung] des Eindrucks (pratyayasya | gen sg) [den ein anderer Mensch auf uns vermittelt ] [entsteht] Verständnis über den anderen b Wahrnehmungsraum (para-citta-jñānam | nom sg) x.

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich

x:

Hier sind drei Interpretationen möglich:

  1. Wir konzentrieren uns auf den Eindruck, den ein anderer Mensch in uns erzeugt. So entsteht Verständnis über dessen Citta (z.B. Gefühlszustand). Diese Deutung entspricht der üblichen Interpretation.
  2. Wir konzentrieren uns auf den Eindruck, den ein anderer Mensch von etwas äußerem hat. Also wie er z.B. auf äußere Dinge reagiert. So entsteht Verständnis über dessen Citta (z.B. Gefühlszustand).
  3. Wir konzentrieren uns auf den Eindruck, den wir in diesem Moment haben. So können wir eintauchen in einen veränderten Bewusstseinszustand. Wir meditieren also auf die Wahrnehmung des Geräusches von Regen auf Blätter. Dies kann in uns einen veränderten Bewusstseinszustand auslösen.


Erst wenn Du einen anderen Menschen wirklich intensiv und meditativ beobachtest, kannst Du dessen inneren Wahrnehmungsraum mit dessen Denken und Fühlen verstehen.

Alternativ:
Beobachte Deine Sinneswahrnehmungen (pratyaya) selbst und tauche über sie in eine Meditation (saṁyama) ein. Sie ist der Schlüssel für eine veränderte innere Wahrnehmung (para-citta).

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


[Durch Anwendung der Allzucht] auf die Vorstellung [die einer von einem andern hat] erfolgt Kenntnis des Cittam des andern.

Paul Deussen - 1908


The mind of other persons becomes known to (an ascetic) when he performs sanyama (restraint) with regard to the pratyaya– knowledge (contained in it i.e. in the mind of other persons).

James R. Ballantyne - 1852


[As a result of constraint] upon a presented-idea [there arises intuitive] knowledge of the mind-stuff of another.

James Haughton Woods - 1914

na
naPartikel
nicht
ca
caPartikel
aber
tat Maskulin Nominativ Singular
tatPronomen 3. Person
diese
sālambanamAkkusativ Singular
sālambanaAdjektiv
mit Grundlage, Stütze versehen
sālambanaAdjektiv
saPräfixālambanaAdjektiv
mit Grundlage, mit Stütze versehen
saPräfixversehen mit X
ālambanaAdjektiv
āPräfixlambanaAdjektiv
Stütze
āPräfixzu hin, bis an, bis zu
lambanaAdjektiv
lambVerbalwurzelanaSuffix
herabhängend
lambVerbalwurzelherabhängen, hängen an
anaSuffix NeutrumKr̥t-Suffix mit Guṇa-Stufe: bezeichnet eine Handlung
tasyaGenitiv Singular
tatPronomen 3. Person
dessen
aviṣayīTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
aviṣayaSubstantiv Maskulin
Nicht-Objekt, Subjekt
aviṣayaSubstantiv Maskulin
aPräfixviṣayaSubstantiv Maskulin
nicht Objekt
aPräfixVerneinung
viṣayaSubstantiv MaskulinObjekt
bhūtatvātAblativ Singular
bhūtatvaSubstantiv Neutrum
Wesenheit, Existenz
bhūtatvaSubstantiv Neutrum
bhūtaAdjektivtvaSuffix
Wesenheit, Existenz
bhūtaAdjektivgeworden
tvaSuffixNomen Abstraktum: -heit

Aber (ca) dieses [Verständnis (jñāna)] (tat | nom sg) [umfasst] nicht (na) ein Meditationsobjekt (sālambanam | acc sg) dieses [anderen Menschen] (tasya | gen sg), weil es nicht das Objekt der Betrachtung war (a-viṣayī-bhūtatvāt | abl sg)x.

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich

x:

Dieses Sutra fehlt in manchen Manuskripten. Es taucht im Kommentar von Vyasa beim vorherigen Sutra auf. Es scheint also vom Kommentar in den Haupttext gewandert zu sein.


Egal wie intensiv Du jemanden beobachtest, Du magst mehr über dessen inneren Wahrnehmungsraum erfahren, doch über seinen Wesenskern (bhūta) wirst Du nichts erfahren. Denn der Wesenskern ist nicht Teil dieser physischen Welt und kann daher kein Betrachtungsobjekt (aviṣaya) sein.

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Diese Kenntnis schließt nicht ein dasjenige, worauf [als Objekt] des Cittam des andern sich bezieht, weil dieses nicht zum Gegenstand [der Allzucht] gemacht worden war.

Paul Deussen - 1908


It i.e. (the mind of other persons) is not comprehended with its Ālambana– support i.e., object (to an ascetic) because it was not the object (of Sanyama which he, the ascetic, made use of in comprehending the mind).

James R. Ballantyne - 1852


But [the intuitive knowledge of the presented-idea of another] does not have that [idea] together with that upon which it depends [as its object], since that upon which it depends is not-in-the-field [of consciousness]. 1

James Haughton Woods - 1914

1:

This sūtra is omitted by Vijñana Bhikṣu and consequently the numbering of the remaining sūtras of the third part of Yoga-vārttika is at fault.

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