Schwingende Dynamik durch den ganzen Körper
Unsere Arme und Beine sind über myofasziale Züge nicht nur mit dem Rumpf, sondern auch untereinander verbunden. Das bedeutet konkret, dass jede Bewegung des Armes sich auch auf die Beine überträgt und umgekehrt. Die verbindenden Züge winden sich dabei wie eine Helix durch den gesamten Rumpf. So entsteht das elegante, den ganzen Körper mit einbeziehende Bild jeder funktionalen menschlichen Bewegung.
Diese Vorstellung mag zunächst sehr theoretisch klingen. In der Praxis ist sie uns aber allen geläufig. Ein ganz simples Beispiel dafür begegnet uns allen quasi täglich: Denn etwa beim Laufen schwingen die Arme – in aller Regel – gegengleich zu den Beinen. Der Impuls des Abdrucks mit der Wade und das Rückschwingen des Armes heben unseren Kopf. Der Blick bleibt so entspannt zum Horizont gerichtet, obwohl sich die Muskelspannung im Körper ändert und unser Rumpf sich in einer harmonischen Rotationsschwingung befindet. Der Mensch hat im Laufe seiner Evolution gelernt, diese Art von Bewegungsenergie im gesamten Körper zu speichern und wieder abzugeben. Auf diese Weise gleiten wir nahezu mühelos beim Laufen voran und sind damit sozusagen statisch in unserer schwingenden Dynamik.
Gegenläufige Doppelhelix zur Steuerung von Bewegung
Abstrakt betrachtet sind es vier Schichten von gegenläufigen Helices, die unseren Rumpf umhüllen. Die oberflächlicheren zwei davon sind unmittelbar mit Armen und Beinen – und damit der Bewegung – verbunden:
- Mittlere Doppelhelix: Ein breites myofasziales Band überkreuzt sich hinten zwischen den Schulterblättern (Mm. Splenius Capitis et Cervicis, Mm. Rhomboideus Major et Minor) sowie vorne etwas oberhalb des Bauchnabels (M. Serratus Anterior, M. Obliquus Abdominis Externus, M. Obliquus Abdominis Internus, M. Tensor Fasciae Lata).
- Oberflächliche Doppelhelix: Hinten zieht der breite Rückenmuskel (M. Latissimus Dorsi) diagonal über die Gesäßmuskulatur (M. Glutaeus Maximus) der Gegenseite in die Seitfaszie des Beines (Fasica Lata). Vorne verbindet sich der große Brustmuskel (M. Pectoralis Major) über den geraden Bauchmuskel (M. Rectus Abdominis) mit den Adduktoren des Beines (M. Adductor Longus).
Diese gegenläufigen Helices sind in sich ein myofasziales Kontinuum. Das bedeutet, sie enden nicht einfach an einem bestimmten Körperteil, sondern durchziehen ohne Unterbrechung unseren gesamten Körper. Diese langen Züge, die unseren ganzen Körper durchwandern, umspannen bzw. durchziehen auch unsere Muskeln. Wir könnten also von Muskel-Faszien-Zügen (myofaszialen Zügen) sprechen.
Die beschriebenen myofaszialen Helices sind zudem untereinander sowie mit den beiden tieferen Schichten verwoben. Jede Bewegung von Arm oder Bein bringt also von außen eine Schwingung auch in die tieferen Schichten der gegenläufigen Helices. Die Schwingung sorgt dafür, dass mit jeder Bewegung die den Rumpf umfassende gegenläufige Helix gestrafft wird und so die Wirbelsäule in die Länge gezogen wird. Das stabilisiert letztendlich unseren Rumpf.
Dynamik als das Prinzip des Lebens
Spannt ein Muskel an, so drückt er von innen auf seine Faszien-Hülle. Äußerlich können wir das daran beobachten, dass der Muskel hart wird. Innerlich drückt der angespannte Muskel die Blutgefäße zusammen. Durch den Mechanismus der Venenklappen fließt das Blut Richtung Herz ab.
Entspannt der Muskel wieder, so weiten sich die Gefäße erneut. Neues Blut kann nachströmen. Die Muskelaktivität pumpt also das Blut, fast wie ein zweites Herz, durch unseren Körper.
Dieser Mechanismus funktioniert jedoch nur, solange wir den Muskel immer wieder anspannen und entspannen. Steht der Muskel unter dauerhafter Anspannung, so fehlen ihm die nötigen Nährstoffe. Je nach Situation ermüdet er dann und verliert die Spannung, oder bindegewebige Züge schließen ihn in einer chronischen Verkrampfung ein. Die Folge eines solchen bindegewebig eingeschlossenen Muskel ist beispielsweise ein chronisch verkrampfter Nacken.
Dynamische Rumpfstabilität durch koordinierte Muskelaktivität
Viele Menschen versuchen, eine aufrechte Körperhaltung zu erreichen, indem sie alleine mit den geraden Rückenstreckern (M. Erector Spinae) ihre Wirbelsäule aufrichten. Dieser Versuch ist jedoch zum Scheitern verurteilt. Zunächst ermüdet der Muskel und wir sinken immer wieder in uns zusammen. Wer die Bemühung dennoch nicht aufgibt, dessen gerader Muskelstrecker verhärtet zunehmend. Straffe bindegewebige Züge durchbauen dann den verkrampften Rücken. Die Folge sind schmerzhafte Verspannungen im Nacken, der Lenden- oder Brustwirbelsäule. Gerade im Nackenbereich lassen sich diese Verspannungen sehr häufig als harte Knoten tasten.
Um unsere Körperhaltung langfristig zu erhalten, nutzt unser Körper mehrere Muskeln die sich gegenseitig abwechseln. Spannt ein Muskel an, lässt der andere nach – und umgekehrt. Insgesamt bleibt die stabilisierende Spannung im Rumpf dabei erhalten. Durch dieses Wechselspiel aus Anspannung und Entspannung und somit auch Be- und Entlastung können wir unsere aufrechte Haltung über einen langen Zeitraum kultivieren, ohne dass ein Bereich komplett überlastet wird oder vorschnell ermüdet.
Übungsstrecke
Mit dieser Übungsstrecke kannst Du systematisch die vier Doppelhelices aktivieren und so Deine Wirbelsäule gesund erhalten, Deine Körperhaltung verbessern und viel Kraft entwickeln.
Dreh-Geckos
Komme in einen Vierfußstand. Platziere dazu Deine Hände unter Deinen Schultern und Deine Knie unter Deiner Hüfte. Dein Rücken sollte etwa neutral in seiner natürlichen Schwingung sein. Setze Deine Fußballen auf und hebe Deine Knie leicht vom Boden ab. Schaffe nun eine Zug-Spannung mit den Oberschenkeln Richtung Arme. Etwa so als ob Du Deine Füße heranziehen möchtest. Achte darauf Deine Arme so lang wie möglich nach unten zu strecken, also Deine Schulterblätter fest nach vorne zu schieben (Bild 1).
Hebe nun Deine rechte Hand und Deinen linken Fuß etwas vom Boden ab. Halte die Balance für einige Atemzüge und beobachte die helikale Aktivität rund um den Rumpf. Du kannst dann allmählich die Übung intensivieren indem Du erst Hand und Knie diagonal zusammenpresst (Bild 2).
Einen Schritt weiter kommst Du in der Übung durch eine Drehung. Du schiebst Dein linkes Knie, während Du den Gegendruck mit der Hand hältst unter dem Körper nach rechts durch (Bild 3).
Rotiere dann wieder zurück und wiederhole die Übung auf der anderen Seite. Wechsele so einige Male von Seite zu Seite.
Effekt: Diese Übung bezieht Schulterblätter (M. Serratus Anterior) und Beine (M. Tensor Fasciae Lata) mit ein. Die Rumpf Stabilität im Bauchbereich kommt aus den diagonalen Bauchmuskeln (M. Obliquus Abdominis internus und externus). Der Brustraum wird durch die Überkreuzung der Rautenmuskeln (Mm. Rhomboideus minor et major) und den Riemenmuskeln (Mm. Splenius Capitis et Cervicis) erzeugt. Mit einem Wort die gesamte mittlere Doppelhelix wird angesprochen und aktiviert.
Dreh-Ameisen
Komme nun in eine sitzende Haltung. Beuge Deine Knie und stelle Deine Füße so nah an Dein Gesäß wie möglich. Hebe nun Dein Becken an, bis Dein Oberkörper mit den Oberschenkeln gemeinsam etwa eine Horizontale bildet. Strecke Deine Arme so lang wie möglich indem Du Deine Schulterblätter intensiv nach hinten schiebst. Verweile hier für einige Atemzüge (Bild 4).
Hebe nun Deinen linken Fuß und Deine rechte Hand etwas vom Boden ab. Schiebe Dabei das Schulterblatt der linken Hand aktiv in Richtung Boden. Erlebe die Spannung diagonal über Rücken und Bauch ziehen. Intensivieren kannst Du diese Haltung indem Du die rechte Hand gegen Dein linkes Knie drückst (Bild 5).
Wieder führt Dich eine Drehung weiter in die Aktivierung der helikalen myofaszialen Züge. Schiebe dazu Dein linkes Knie, während Du mit der rechten Hand den Gegendruck hältst, nach links und unter den Körper (Bild 6).
Wechsele langsam von Seite zu Seite. Mit etwas Übung kannst Du Dreh-Geckos und Dreh-Ameisen verbinden. So entsteht ein koordinativ herausforderndes Rotieren um die Körperlängsachse.
Effekt: Wieder geht es bei dieser Übung um die Aktivierung der mittleren Doppelhelix. Die langen Schulterblätter und Rumpfstabilität sind der Schlüssel dafür, die beteiligte Muskulatur effektiv anzusprechen.
Glide and Slide
Falte auf einem möglichst glatten, rutschigen Boden eine Decke längs. Stelle Dich mit etwa hüftbreitem Stand auf das hintere Ende dieser Decke und rutsche mit den Füßen nach vorne, so dass sich vor Dir Falten in der Decke bilden.
Beuge nun einatmend Deine Knie bis die Oberschenkel annähernd horizontal sind und Dein Gesäß möglichst weit hinten. Du wirst eine Anspannung in Deiner Gesäßmuskulatur beobachten können. Strecke dabei Deine Arme diagonal in die Höhe (Bild 7).
Mit der nächsten Ausatmung setze Deine Hände vor der Decke auf dem Boden auf. Stemme Deine Hände fest in den Boden und rolle so Deine Füße auf die Fußrücken (Bild 8).
Gleite nun weiter ausatmend langsam mit den Fußrücken nach hinten. Versuche, Deinen Bauch innen zu halten und Deinen gesamten Körper gerundet zu belassen. Wenn Dir die Kraft für ein weiteres Gleiten ausgeht, kannst Du Deine Knie und eventuell auch Deine Unterarme aufsetzen. Dein Bauchnabel bleibt der höchste Punkt Deiner Körpervorderseite (Bild 9).
Schließlich gelangst Du flach liegend mit gestreckten Armen auf dem Boden zum Boden. Behalte jedoch die Körperspannung bei (Bild 10).
Spanne mit der nächsten Einatmung wieder am Bauch beginnend an und sauge in umgekehrter Richtung Hände und Füße, bzw. Knie und Ellenbogen, zueinander. Gleite so mit Deinen Füßen nahe an die Hände. Setze die Einatmung fort, während Du Deine Knie beugst und in die Ausgangsstellung zurück kommst.
Wiederhole dieses Gleiten in die Bauchlage mit jeder Ausatmung und das Zurückgleiten in die Kniebeuge für einige Runden bis Du eine intensive Anstrengung verspürst.
Effekt: Diese Übung aktiviert und kräftigt die oberflächliche Doppelhelix. Beim Weg nach unten benötigst Du vor allem die Körpervorderseite. Der gerade Bauchmuskel (M. Rectus Abdominis) hält den Bauchraum gerundet, Brustmuskel (M. Pectoralis Major) und die Innenseite der Oberschenkel (M. Adductor Longus) halten die Körperspannung.
Der Weg zurück nach oben wird wesentlich durch den Zug des breiten Rückenmuskel (M. Latissimus Dorsi) eingeleitet. Schließlich benötigst Du für die tiefe Kniebeuge Deine Gesäßmuskulatur (M. Glutaeus Maximus).
Viel Freude beim Üben.
Fotograf: Paul Königer - www.yogafotograf.de
Kleidung: OGNX
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Wow sehr interessanter Artikel und vor allem sehr informativ..Danke !!!
Ein Video wäre natürlich die Krönung !!!! ;)))))
Herziche Grüße
Manuela Wow sehr interessanter Artikel und vor allem sehr informativ..Danke !!!
Ein Video wäre natürlich die Krönung !!!! ;)))))
Herziche Grüße
Manuela-
Liebe Manu, ganz herzlichen Dank für Dein Feedback :-) Schön, dass Du so aufmerksam gelesen hast. Und jetzt nimm uns doch nicht alles vorweg ;-) Wir arbeiten fleißig daran, lass Dich überraschen. Bald [...] Liebe Manu, ganz herzlichen Dank für Dein Feedback :-) Schön, dass Du so aufmerksam gelesen hast. Und jetzt nimm uns doch nicht alles vorweg ;-) Wir arbeiten fleißig daran, lass Dich überraschen. Bald ist es soweit...
LG Ines (AYI Team) -
Liebe Ines ,ich kann es kaum erwarten ;)))
Also dann mal schnell an die Kamera ...Freu mich schon ....
Liebe Grüße
Manu Liebe Ines ,ich kann es kaum erwarten ;)))
Also dann mal schnell an die Kamera ...Freu mich schon ....
Liebe Grüße
Manu
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