Dein wahrer Wesenskern kann sich nur durch die innige Verbindung (saṁyoga) mit dem Wandelbaren selbst erfahren. Diese Verbindung basiert auf Unwissenheit (avidyā). Du löst sie durch Unterscheidungskraft (viveka) und gelangst so zur absoluten Freiheit (kaivalya).

Yoga Sutra 2: Über die spirituelle Praxis
svaDvandva-Kompositum
svaAdjektiv
eigene, hier: Eigentum das wandelbare, Chitta, Prakriti
svāmiTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
svāminSubstantiv Maskulin
Meister, Eigentümer, das wahre Selbst, Drashtar
śaktyoḥGenitiv dual
śaktiSubstantiv Feminin
der Kräfte
śaktiSubstantiv Feminin
śakVerbalwurzel
das Können, Vermögen; Kraft, Fähigkeit; Wirksamkeit
śakVerbalwurzelvermögen, im Stande sein
svarūpaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
svarūpaSubstantiv Neutrum
eigene Gestalt, wahre Gestalt
svārūpaSubstantiv Neutrum
svaAdjektivrūpaSubstantiv Maskulin
die eigene Form
svaAdjektiveigen
rūpaSubstantiv MaskulinForm
upalabdhiTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
upalabdhiSubstantiv Feminin
Wahrnehmbarkeit
upalabdhiSubstantiv Feminin
upaPräfixlabdhiSubstantiv Feminin
Wahrnehmbarkeit
upaPräfixnahe, unter, bei, neben
labdhiSubstantiv Feminin
labhVerbalwurzel
Erlangung, Wahrnehmung
labhVerbalwurzelerlangen, erhalten
hetuḥNominativ Singular
hetuSubstantiv Maskulin
Ursache
hetuSubstantiv Maskulin
hiVerbalwurzel
Ursache
hiVerbalwurzelin Bewegung setzen, antreiben, anfeuern
saṁyogaḥNominativ Singular
saṁyogaSubstantiv Maskulin
intensive Verbindung
saṁyogaSubstantiv mintensive
samPräfixyogaSubstantiv Maskulin
Verbindung, Zusammenhang
samPräfixzusammen, mit, völlig
yogaSubstantiv Maskulin
yujVerbalwurzel
Yoga, Verbindung, das Anschirren
yujVerbalwurzelschirren, anspannen

Die Ursache der Wahrnehmung der wahren Gestalt (svarūpa-palabdhi-hetuḥ) [liegt in der] intensiven Verbindung (saṁyogaḥ) von den Kräften (śaktyoḥ) des Eigentümers (svāmi) [, dem Seher (draṣṭr̥),] und des Eigentums (sva) [, dem Wahrnehmungsraum (citta)] .

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich


Dein Wesenskern (draṣṭr̥) verbindet sich so intensiv mit dem inneren Wahrnehmungsraum (citta), dass er sich sogar selbst in diesem spiegeln kann. So kann Dein Wesenskern seine eigene wahre Gestalt (svarūpa) erfahren.

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Die Ursache des Wahrnehmens der Wesenheit des Besessenen [der Prakṛiti] vermöge der Potenzen des Besessenen und des Besitzers [der Prakṛiti und des Purusha] ist ihre Verbindung.

Paul Deussen - 1908


The conjunction is the cause of the apprehension of the actual condition of the natures of the possessed and the possessor.

James R. Ballantyne - 1852


The reason for the apperception of what the power of the property and of what the power of the proprietor are is correlation.

James Haughton Woods - 1914

tasyaGenitiv Singular
tatPronomen 3. Person
das, hier: dessen
hetuḥNominativ Singular
hetuSubstantiv Maskulin
Ursache
hetuSubstantiv Maskulin
hiVerbalwurzel
Ursache
hiVerbalwurzelin Bewegung setzen, antreiben, anfeuern
avidyāNominativ Singular
avidyāSubstantiv Feminin
Unwissenheit
avidyāSubstantiv Feminin
aPräfixvidyāSubstantiv Feminin
Unwissenheit
aPräfixVerneinung
vidyāSubstantiv Feminin
vidVerbalwurzel
Wissen
vidVerbalwurzelwissen

Die Ursache (hetuḥ) für diese (tasya) [intensive Verbindung (saṁyoga) des Eigentümers (draṣṭr̥) mit dem Eigentum (citta)] ist die Unwissenheit (avidyā).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich


Diese intensive Verbindung (saṁyoga) kommt erst durch die Unwissenheit (avidyā) zustande. Du identifizierst Dich mit den vergänglichen Eigenschaften Deines physischen Körpers und Deines Geistes.

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Die Ursache dieser [Verbindung] ist das Nichtwissen.

Paul Deussen - 1908


The cause thereof is to be quitted viz., ignorance.

James R. Ballantyne - 1852


The reason for this [correlation] is undifferentiated consciousness (avidyā).

James Haughton Woods - 1914

tadTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
tatPronomen 3. Person
von dieser
abhāvāt Ablativ Absulotiv Singular
abhāvaSubstantiv Maskulin
ausgehend von der Überwindung
abhāvaSubstantiv Maskulin
aPräfixbhāvaSubstantiv Maskulin
Abwesenheit, Überwindung, Verschwinden
aPräfixVerneinung
bhāvaSubstantiv Maskulin
bhūVerbalwurzel
das Werden, Sein, Stattfinden
bhūVerbalwurzelwerden, entstehen, geschehen
saṁyogaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
saṁyogaSubstantiv Maskulin
intensive Verbindung
saṁyogaSubstantiv Maskulin
samPräfixyogaSubstantiv Maskulin
Verbindung, Zusammenhang, innige Verbindung
samPräfixzusammen, mit, völlig
yogaSubstantiv Maskulin
yujVerbalwurzel
Yoga, Verbindung, das Anschirren
yujVerbalwurzelschirren, anspannen
abhāvaḥNominativ Singular
abhāvaSubstantiv Maskulin
Überwindung, Verschwinden
abhāvaSubstantiv Maskulin
aPräfixbhāvaSubstantiv Maskulin
Abwesenheit
aPräfixVerneinung
bhāvaSubstantiv Maskulin
bhūVerbalwurzel
das Werden, Sein, Stattfinden
bhūVerbalwurzelwerden, entstehen, geschehen
hānamNominativ Singular
hānaSubstantiv Neutrum
Freisein
hānaSubstantiv Neutrum
Verbalwurzel
Freisein, Aufhören, Verlassen
Verbalwurzellassen, verlassen, überlassen
tadTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
tatPronomen 3. Person
von diesem
dr̥śeḥGenitiv Singular
dr̥śiSubstantiv Feminin
des Sehenden, Auge
dr̥śiSubstantiv Feminin
dr̥śVerbalwurzel
das Sehen, das Schauen, Auge
dr̥śVerbalwurzelsehen, erblicken
kaivalyamNominativ Singular
kaivalyaSubstantiv Neutrum
Alleinsein, Befreiung
kaivalyaSubstantiv Neutrum
kevalaAdjektiv
Alleinsein, Befreiung
kevalaAdjektivpur, ausschließlich eigen, allein

Nach der Überwindung von dieser (tad-abhāvāt) [Unwissenheit (avidyā)], [stellt sich] auch die Überwindung der intensiven Verbindung (saṁyogābhavaḥ) [ein]. Die [entstandene] Befreiung (kaivalya) [ist] das Freisein (hānam) des Sehens von dieser (tad-dr̥śeḥ) [Unwissenheit (avidyā)].

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich


Wenn Du einmal diese Unwissenheit (avidyā) aufgelöst hast, dann löst sich auch die intensive Verbindung (saṁyoga). Dein Wesenskern erlangt so absolute Freiheit (kaivalya).

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Besteht dies nicht mehr, so besteht auch die Verbindung nicht mehr, sondern ein Freisein [vom Leiden], und dieses ist die Isolation des Sehens [d.h. des Purusha].

Paul Deussen - 1908


The ‘quitting’ consists on the surcease of the conjunction on that (ignorance); this is the isolation of the Soul.

James R. Ballantyne - 1852


Since this [non-sight] does not exist, there is no correlation. This is the escape, the Isolation of the Seer.

James Haughton Woods - 1914

vivekaTatpuruṣa-Kompositum Instrumentalis
vivekaSubstantiv Maskulin
Unterscheidungskraft, Unterschied
vivekaSubstantiv Neutrum
viPräfixvicVerbalwurzel
Unterscheidungskraft, Unterschied
viPräfixgetrennt, unterschiedlich, auseinander
vicVerbalwurzelaussondern, unterscheiden, untersuchen, prüfen, isoliert
khyātiḥNominativ Singular
khyātiSubstantiv Feminin
Erkenntnis
khyātiSubstantiv Feminin
khyāVerbalwurzel
das dafür halten, Bekanntheit, Ruf
khyāVerbalwurzelbekannt sein, bekannt machen, erschauen, sehen
aviplavāFeminin Nominativ Singular
aviplavaAdjektiv
ununterbrochen
aviplavaadjwrtl.: nicht auseinander schwimmend
aPräfixviPräfixplavaAdjektiv
ununterbrochen
aPräfixVerneinung
viPräfixgetrennt, unterschiedlich, auseinander
plavaAdjektiv
pluVerbalwurzel
schwimmend, geneigt
pluVerbalwurzelschwimmen
hānaTatpuruṣa-Kompositum Genitiv
hānaSubstantiv Neutrum
Freisein
hānaSubstantiv Neutrum
Verbalwurzel
Freisein, Aufhören, Verlassen
Verbalwurzellassen, verlassen, überlassen
upāyaḥNominativ Singular
upāyaSubstantiv Maskulin
Mittel
upāyaSubstantiv Maskulin
upaPräfixayaSubstantiv Maskulin
Mittel
upaPräfixnahe, unter, bei, neben
ayaSubstantiv Maskulin
iVerbalwurzel
Lauf, Gang
iVerbalwurzelgehen

Das Mittel des Freiseins (hānopāyaḥ | nom sg) [ist] die ununterbrochene (aviplavā | nom sg) Einsicht in die Unterscheidungskraft (viveka-khyātiḥ | nom sg).

Dr. Ronald Steiner - historisch-wörtlich


Unterscheidungskraft (viveka) ist die Technik, Unwissenheit aufzulösen (avidyā). Meditiere darüber, was Dein unveränderlicher Wesenskern (draṣṭr̥) ist und was nur innerer Wahrnehmungsraum (citta) bzw. wandelbare Aspekte sind.

Dr. Ronald Steiner - moderner Transfer


Das Mittel dieses Freiseins ist die ungestörte Erkenntnis des Unterschiedes [zwischen Purusha und Prakṛiti].

Paul Deussen - 1908


The means of quitting (the state of bondage) is discriminative knowledge not discontinuous.

James R. Ballantyne - 1852


The means of attaining escape is unwavering discriminative discernment.

James Haughton Woods - 1914

Hinweis

Die Devanāgarī Schrift von 2.23 ist korrekt. Zum Vergleich:

  • ktyo = क्त्यो - So steht es im Satz
  • ttyo = त्त्यो - Sieht in der Tat sehr ähnlich aus

Nachrichten und Bewertungen

Deine Bewertung:

  • Hi Ronald, ich hab zu diesem (und zum nachfolgenden Yoga Sūtra Abschnitt einige Fragen, weiß aber nicht, ob Du das hier liest. :) Sind die Gedanken, die hier geäußert werden, nicht dieselben wie im [...] Hi Ronald, ich hab zu diesem (und zum nachfolgenden Yoga Sūtra Abschnitt einige Fragen, weiß aber nicht, ob Du das hier liest. :) Sind die Gedanken, die hier geäußert werden, nicht dieselben wie im Vedanta? Ich leide, weil ich nicht weiß, dass ich immer Bewusstsein-Gewahrsein bin und weil ich mich mit dem Ego, also mit dem feinstofflichen Körper identifiziere?
    Herzliche Grüße,
    Stefan

    • Hallo Stefan,
      obwohl die Grundlagen von Vedanta, Samkhya und Tantra völlig verschieden sind, ist die meditative Erfahrung und auch das Ergebnis im Alltag oft überraschend ähnlich. Hier in der Tat. [...] Hallo Stefan,
      obwohl die Grundlagen von Vedanta, Samkhya und Tantra völlig verschieden sind, ist die meditative Erfahrung und auch das Ergebnis im Alltag oft überraschend ähnlich. Hier in der Tat. Denke diese Aussage könnte auch im Vedanta so stehen. Vielleicht mit ein bisschen anderen Worten.
      - Im Samkhya ist der Körper inkl. Geist (Citta) real aber nicht göttlich. Die Essenz (Drashtu) identifiziert sich mit dem vergänglichen Körper und Geist. Daraus entsteht Leiden. Wenn wir diese Identifikation erkennen und sie wieder lösen, entsteht Freiheit von Leiden.
      - Im Vedanta ist der Körper und unser Gefühl der Getrenntheit eine Illusion, aber eine göttliche. Leiden lösen wir, indem wir die Illusion auflösen und alles als eines wahrnehmen.
      Viel Freude beim Ergründen und erfahren.
      Namaste und bis ganz bald
      Ronald